David Helbock und sein Austrian Syndicate katapultieren den Pavillon in Sindelfingen mit Fusion Jazz in galaktische Sphären. Das Publikum war übersichtlich, der Applaus trotzdem stürmisch.
Eines muss man den IG Kulturmachern lassen: Was sie anpacken hat Hand und Fuß. Die Jazz-Scouts des Vereins recherchieren gründlich was die Szene so zu bieten hat. Als Mitarbeiter Pit Bäuerle David Helbock mit dessen Austrian Syndicate im vergangenen Jahr in Braunschweig erlebte, war umgehend klar: Die müssen wir bei den nächsten Jazztagen haben.
Also eröffnen die fünf Musiker schließlich die 11. Jazztage und machen mit der ersten Note klar, weshalb Bäuerle den richtigen Riecher hatte. Bedauerlicherweise gönnen sich lediglich 50 Besucher das Vergnügen, was wohl dem Umstand geschuldet ist, dass die Formation erst seit zweieinhalb Jahren existiert und in der Region noch weitgehend unbekannt ist.
Groove vom Feinsten
Dabei tourte der preisgekrönte Pianist und Keyboarder Helbock, wie auch sein Bandpartner Peter Madsen bereits durch die ganze Welt und spielte Jazzfestivals auf allen Kontinenten. Der US-amerikanische Pianistenkollege Peter Madsen war zum Beispiel 1987 mit Saxofon-Ikone Stan Getz in den USA und in Europa unterwegs. Er hat bereits über 120 Alben veröffentlicht und mehr als 500 Kompositionen geschrieben. Das sagt bereits viel über die Qualität der Strippenzieher dieser Formation aus.
Wenn dann noch Raphael Preuschl am fünfsaitigen E-Bass, Schlagzeuger Herbert Pirker und Perkussionist Claudio Spieler das nahezu österreichische Quintett ergänzen, ist Groove vom Feinsten angesagt. Und der steht am Samstagabend umgehend im Raum.
Mit Joe Zawinuls „Money in the Pocket“ kreieren die Vollblutmusiker kraftvolle Unisono-Phrasen, blitzsaubere Breaks, Tempiwechsel und eine bestechende Rhythmik. Die Synthie- und Keyboardsounds kommen gleich von fünf verschiedenen Instrumenten, die Helbock um sich herum geschart hat. Neben Latin- und Funkelementen bekommen, dank Claudio Spieler, auch Elemente aus der indischen Musik ihren Platz.
So verblüfft er beim „Grondbira Dance“ mit der indischen Trommelsprache „Takadimi“ und kombiniert selbige auch an anderer Stelle mit der indischen Kanjira-Rahmentrommel. Die schnellgesprochenen Silben und die rasanten Fingerfertigkeiten mit denen er unglaubliche Trommelsounds produziert, lösen beim Publikum stürmischen Szenenapplaus aus. „We Need Some Help Down Here“ ist Raphael Preuschl auf den Leib, oder besser auf die Finger, geschrieben. Ein gitarrengleich gezupftes Intro schafft bereits Atmosphäre. Die folgende, unter die Haut gehende sphärische Ethno-Ballade führt geradezu durch die Weiten der Galaxie.
Mozart im Karibik-Sound
Die fünf Herren haben sich jedoch vorwiegend dem Groove verschrieben, der sich in allen Facetten zeigt. Klangdichte und -kreativität lassen zudem keine Wünsche offen. Die Stücke sind minutiös durcharrangiert und bisweilen wähnt man sich fast, zum Beispiel in „Adventure“, in einem Frank Zappa-Konzert der 70er Jahre. Der laut Helbock „zweitbeste österreichische Komponist nach Joe Zawinul“ gibt sich schließlich am Schluss noch die Ehre. Mozarts „Komm lieber Mai“ kommt im Karibik-Gewand daher und offenbart nochmals den Humor der Österreicher, die ohne Zugabe natürlich keinen Feierabend machen dürfen.
Am Sonntagabend dann das Kontrastprogramm. Groove for Friends rekrutiert sich aus fünf Musikern der Region. Vier davon unterrichten an den Musikschulen Sindelfingen und Böblingen. Die Crossover-Formation hat für die Jazztage ein Programm aus Standards zusammengestellt. In einer Jazzlounge-Atmosphäre kommen Billy Holliday- oder Chick Corea – Nummern bei rund 100 Besuchern super an, was nicht zuletzt der Virtuosität von Birgit Vescovi (Gesang), Tobias Götzmann (Gitarre), Igor Petrov (Akkordeon), Jogi Nestel (Schlagzeug) und Michael Walter (E-Bass) geschuldet ist.
Mit der STB-Bigband (feat. Kai Podack) und dem Landesjazzpreisträger Lukas DeRungs mit seinem Quintett enden die Jazztage am kommenden Wochenende. Ein Muss für jeden Jazzfan!
Kommende Aufführungen
Mehr Informationen
zu den Konzerten am 22. und 23. März gibt es online unter https://www.igkultur.de/reihen/jazztage-sindelfingen-2025