Von der Babywaage bis zur Leichensocke: Museumsleiterin Claudia Greiner zeigt Gegenstände von früher. Foto: Patricia Sigerist

Die neue Dauerausstellung unter der Yburg wird am Sonntag eröffnet und legt einen Schwerpunkt auf das Alltagsleben früherer Einwohner. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Ortsteile Stetten und Rommelshausen werden beleuchtet.

Stetten - Das neueste Prunkstück des Museums unter der Yburg ist auf den ersten Blick nur ein Stück altes Holz. Es ist unerwartet bedeutsam: ein Zeugnis von einer Wasserburg in Stetten, die Fachleute aufgrund von Fundamentresten auf dem Ochsenareal vermuten. Der kürzlich aufgetauchte, auf Zimmermannsart bearbeitete Holzblock aus den Jahren zwischen 1220 und 1240 hat deswegen einen festen Platz in der neuen Dauerausstellung gefunden: „Ein Gebäude mit massiven Wänden statt einem reinen Holzbau ist sehr erstaunlich für diese Zeit“, sagt Claudia Greiner. Sie hat die neue Ausstattung der leerstehenden Räume im ersten Stock des Heimatmuseums im Auftrag der Gemeindeverwaltung Kernen konzipiert. Am Sonntag um 14 Uhr wird sie eingeweiht. Seit dem vergangenen Herbst hatte Claudia Greiner dafür einen Tag in der Woche Zeit.

Die Exponate könnten Geschichten erzählen

Wie frühere Einrichtungen schon widmet die neue Einrichtung Karl Mauch, dem Afrikaforscher, Entdecker von Goldfeldern und großen Sohn Stettens, fast ein ganzes Zimmer im ersten Obergeschoss. Weitere Persönlichkeiten sind hinzugekommen und werden in Stelen gewürdigt: der Vater Ludwig Schlaich, der als Leiter der Diakonie Stetten bahnbrechend wirkte, der Sohn Jörg Schlaich, der weltweit ambitionierte Brücken baut, die Pfarrersfrau Hildegard Spieth, die Juden vor den Nazi versteckte.

Kontrastiert werden diese Exponate von Alltagsgegenständen. Es war Museumsleiterin Claudia Greiner wichtig, das Leben auch der einfachen Menschen in früheren Zeiten widerzuspiegeln: „Es geht nicht allein um Berühmtheiten. Das Museum erzählt von Menschen, die früher gelebt haben.“ Der Lauf eines Lebens ist beispielsweise in einer einzigen Vitrine zusammengestellt, festgemacht unter anderem an einer alten Babywaage, am Hochzeits-Kränzel einer Braut, am aus einer Granate gefertigten Hochzeitsschmuck bis hin zu den Socken, die für einen aufgebahrten Leichnam fein gestrickt worden sind.

Aufmüpfiger Stettener: Der Spielmann David Pfeffer. Foto: Patricia Sigerist

Die Exponate könnten Geschichten erzählen. Damit sie nicht stumm bleiben, hat Claudia Greiner große Fahnen mit erläuternden Texten erstellt. Gerade bei Karl Mauch, von dem keine originalen Gegenstände in Stetten lagern, machen sie den wichtigsten Teil der Ausstellung aus. Übrigens ist in der neuen Dauerausstellung auch Karl Mauchs jüngerer Bruder Jakob, geboren erst als die Familie aus Stetten weggezogen war, erwähnt. Er nahm an einer gescheiterten Polarexpedition teil.

Die durch die großen Fahnen etwas textlastige Darstellung bei Karl Mauch und anderen Persönlichkeiten ist vielleicht der größte Unterschied zu früheren Ausstattungen im Museum unter der Yburg. Sie habe einfach nicht aufhören können zu schreiben, entschuldigt sich Claudia Greiner, zu interessant sind die Vorgänge, die sie heutigen Besuchern nahebringen will.

Auch Objekte aus der Rommelshauser Firma Rüsch veranschaulichen den Aufbruch in dieser Zeit

Der Frage, warum die beiden Ortsteile Kernens – Rommelshausen und Stetten – so verschieden sind, können Besucher jetzt im Heimatmuseum nachspüren. Da sieht man die Siegel des ritterschaftlichen Stettens, wo die Herrscher vor Ort im Schloss leben, sich kümmern und entscheiden. Der Herzog von Württemberg hat dort – bis zum Kauf von Dorf und Schloss Stetten in sein Privatvermögen – nichts zu sagen und kann vor allem keine Truppen ausheben. Ein von der Geschichte bevorzugtes Dorf: „Kein Stettener musste in den 30-jährigen Krieg ziehen, keiner hatte Anlass, am Aufstand des ,Armen Konrad’ teilzunehmen“, sagt Claudia Greiner. Sie zeigt einen Grenzstein mit dem Wappen der Württemberger.

Ein alter Herd und Geschirr in der Küche. Foto: Patricia Sigerist

Rommelshausen dagegen ist württembergisch, mit betroffen von den Aufs und Abs der Landesgeschichte. Es leidet immer wieder unter durchs Remstal ziehenden Truppenverbänden. Erst die modernen Zeiten ändern Verhältnisse grundlegend: Ab 1861 fährt die Eisenbahn durchs Remstal, Rommelshausen erhält später auch eine Eisenbahnstation und wird Industriestandort. Ein alter Strommast zeugt von elektrischem Licht und Antrieb. Auch Objekte aus der Rommelshauser Firma Rüsch veranschaulichen den Aufbruch in dieser Zeit. Stetten dagegen ist im Niedergang, die Weinwirtschaft leidet unter der Reblaus.

Trotz allem Trennenden: Die Ausstellung zeigt das Gemeinsame der Ortsteile in Religion und Frömmigkeit ebenso wie im bäuerlichen und handwerklichen Leben und Wirtschaften.