An vielen Schulen sind Handys verboten – am Arbeitsplatz ist es oft kein Problem sie zu verwenden, auch während der Arbeitszeit. Foto: dpa

Ständige Erreichbarkeit und unbezahlte Überstunden belasten viele Beschäftigte – doch das ist nur die eine Seite der Medaille.

Stuttgart - Fast von überall aus lassen sich heute per Smartphone Waren bestellen, Kurznachrichten versenden und Nachrichten checken – natürlich auch vom Arbeitsplatz aus. In vielen Firmen gibt es längst W-Lan auch fürs Privathandy, so dass die Beschäftigten noch nicht einmal ihr Datenvolumen anzapfen müssen. In vielen Firmen ist das entweder erlaubt oder wird zumindest geduldet – wohl auch mit dem Hintergedanken, dass der Handyverkehr keine Einbahnstraße ist. Verschickt der Chefs eine Kurznachricht an seine Mitarbeiter, kann er ziemlich sicher sein, dass sie diese Botschaft nach kurzer Zeit zu Gesicht bekommen.

Wer zieht aus dieser mobilen Kommunikation den größeren Nutzen? Die IG Metall sieht hier große Risiken für die Beschäftigten: Die mobile Kommunikation helfe zwar, die „persönlichen Belange besser mit der Arbeit zu vereinbaren“, sagte IG-Metall-Landeschef Roman Zitzelsberger schon vor einem Jahr im Interview mit unserer Zeitung. Es dürfe „nicht dazu kommen, dass das mobile Arbeiten dazu genutzt werden muss, das zu erledigen, was während der regulären Arbeitszeit nicht zu schaffen war“.

Eine groß angelegte Befragung von Beschäftigten durch die IG Metall vor wenigen Monaten zeigte, wie zwiespältig auch die Beschäftigten selbst das mobile Arbeiten sehen. Einerseits sind die meisten mit der Planbarkeit ihrer Arbeitszeit und ihren persönlichen Spielräumen zufrieden – doch andererseits klagen gerade sie über zu lange Arbeitszeiten. Für manche scheint die Flexibilität vor allem darin zu bestehen, selbst entscheiden zu können, wann sie die Mehrarbeit leisten.

Die Arbeitszeit für Mails an den Chef wird nicht immer erfasst

Je mobiler die Arbeit, desto schwieriger ist sie auch mit den Methoden der industriellen Arbeitszeiterfassung zu messen. Die abendliche Überarbeitung der Präsentation, die Frage des Chefs nach dem Stand der Dinge bei einem Auftrag – nicht alles, was außerhalb der regulären Arbeitszeit dienstlich erledigt wird, zählt auch als Arbeit, obwohl Tarifverträge wie der in der Metall- und Elektroindustrie selbstverständlich keine unbezahlten Überstunden vorsehen. „Die meisten Unternehmen haben einen Betriebsrat, ohne dessen Zustimmung es gar keine Überstunden geben kann“, sagt Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick. „Da wird dann auch die Bezahlung geregelt, soweit sie nicht sowieso tariflich geregelt ist.“

Gleichwohl geht das Bundesarbeitsministerium davon aus, dass in Deutschland im vergangenen Jahr branchenübergreifend 493 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet worden sind. Freilich verliert die Zahl etwas von ihrem Schrecken, wenn man sie in Relation zur arbeitenden Bevölkerung setzt. „Bei mehr als 40 Millionen Erwerbstätigen, davon rund 30 Millionen sozialversicherungspflichtig, sprechen wir da von 15 bis 20 Minuten pro Woche, Tendenz sogar leicht fallend“, sagte Dick. Und macht sogleich eine Gegenrechnung auf: In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid wurden die 1055 teilnehmenden Metall-Beschäftigten Anfang 2017 gefragt, wie sie es mit privaten Erledigungen am Arbeitsplatz halten. Im Durchschnitt schätzten sie, dass Beschäftigten elf Minuten mit Privatem verbringen – täglich. Das sei „pro Woche weit mehr als die unbezahlten Überstunden“, erklärt Dick. Darüber scheine sich „niemand aufzuregen.“

Wie bemisst man den nötigen Zeitaufwand für eine Präsentation?

Mitarbeiter in der Produktion haben weit weniger Möglichkeiten, ihre Arbeitszeit flexibel und mobil zu gestalten – schließlich können sie ein Auto nicht zuhause montieren. Auch ist es leichter, die Anforderungen an sie objektiv zu definieren. Denn natürlich ist das Arbeitsvolumen ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, ob die Arbeit in der regulären Zeit zu schaffen ist.

Bei Beschäftigten mit Bürojobs ist dies allerdings oft schwierig. Um den Aufwand für das Erstellen einer Präsentation zu bemessen, gehe es um Fragen wie den Rechercheaufwand und die geistige Leistung, die eingeflossen sei, sagte Zitzelsberger. Man könne „ja schlecht die Zahl der Folien zum Maßstab machen“. Doch gerade bei Tätigkeiten, bei denen der Aufwand schwer messbar ist, bestehe die „Gefahr, dass der Zeitaufwand höher ist als die Arbeitszeit, die dafür zur Verfügung steht“.