Die Datenschutzgrundverordnung regelt seit dem Frühjahr 2018 die Verarbeitung personenbezogener Daten. Foto: dpa/Patrick Pleul

Für Bürger in Stuttgart ist es aktuell schwierig, Kontakt zu den für sie zuständigen Lokalpolitikern aufzunehmen. Das hat mit der neuen Datenschutzgrundverordnung zu tun – und die treibt mitunter kuriose Blüten.

Filder/Stuttgart - Allein das Wort Datenschutzgrundverordnung ist ein Ungetüm. Viel gravierender sind aber die Folgen für den einzelnen Bürger, für Unternehmen und eben auch für Stadtverwaltungen. Denn der bürokratische Aufwand ist immens gestiegen. Die Verordnung der Europäischen Union (EU) ist seit Mai 2018 in Kraft. Das Ziel ist es, die Verarbeitung personenbezogener Daten genauer zu regeln. Um einen Namen oder gar eine Telefonnummer irgendwo zu veröffentlichen, bedarf es nun dem aktiven Einverständnis der betroffenen Person.

Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung haben natürlich auch die Bezirksbeiräte. Aktuell führt das dazu, dass viele der Lokalpolitiker für die Bürger gar nicht mehr erreichbar sind. Wer im Internet nach einer Kontaktmöglichkeit sucht, findet nicht einmal mehr alle Namen. Und nur bei wenigen ist eine private Telefonnummer vermerkt. „Der Bezirksbeirat sollte das offene Ohr im Stadtteil vor Ort sein und kein Geheimzirkel, der sich nur um sich selber dreht“, schreibt ein Leser unserer Zeitung. Und weiter steht dort, dass sich die Bezirksbeiräte vollends überflüssig machen würden, wenn sie nicht einmal mehr von Bürgern angesprochen werden können, weil sie als Lokalpolitiker nicht bekannt oder nicht auffindbar seien oder keine sinnvollen Kontaktdaten angeben würden.

Umfangreiche Datenblätter sind der Grund

Doch so sei es nicht, betont Andrea Lindel, die Bezirksvorsteherin von Plieningen und Birkach. „Die Bezirksbeiräte wollen kein Geheimnis um sich machen. Ganz im Gegenteil: Sie haben ein großes Bedürfnis, dass ihre Kontaktdaten wieder in vollem Umfang für den Bürger zu finden sind.“ Doch wegen der Datenschutzgrundverordnung habe es für die neuen Bezirksbeiräte neue und umfangreichere Datenblätter gegeben, auf denen viel ausgefüllt und angekreuzt werden musste. Das habe dazu geführt, dass manche Datenblätter lückenhaft an das Haupt- und Personalamt zurückgegeben worden seien. „Wir haben das jüngst noch einmal thematisiert und werden nacharbeiten“, sagt Lindel.

Ihre Möhringer Kollegin Evelyn Weis sieht das ähnlich. Beim Ausfüllen der umfangreichen Datenblätter seien Fehler passiert. Die Bezirksvorsteherin möchte das Thema in der nächsten Sitzung noch einmal ansprechen und ist sich sicher, dass demnächst noch einige Namen und Telefonnummern mehr auf der offiziellen Internetseite der Stadt Stuttgart veröffentlich werden können. Sie betont aber auch: „Über das Bezirksamt sind alle Bezirksbeiräte immer erreichbar. Wir geben die Anliegen der Bürger dann gerne an die Lokalpolitiker weiter.“

Manch ein Lokalpolitiker will tatsächlich lieber unerkannt bleiben

Der Vaihinger Bezirksvorsteher Kai Jehle-Mungenast kann von einigen Kuriositäten beim Ausfüllen der Datenblätter berichten. So habe einer der Bezirksbeiräte seine Kreuze aus Versehen so gemacht, dass seine Adresse hätte veröffentlich werden dürfen, sein Name aber nicht. Und er hat noch eine weitere Anekdote im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung: Er habe mit einer separaten Liste bei jedem der Bezirksbeiräte abfragen müssen, ob er ihm oder ihr eine Geburtstagskarte schreiben darf. Das sei viel Aufwand für eine nett gemeinte Geste. An dieser Stelle schieße der Datenschutz sicherlich übers Ziel hinaus, findet der Bezirksvorsteher.

Einen allgemeinen Trend, dass immer mehr Bezirksbeiräte ihre Kontaktdaten nicht veröffentlicht wissen wollen, sieht Jehle-Mungenast nicht. Das Informationsdefizit auf der Internetseite der Stadt sei vor allem auf die neuen Datenblätter zurückzuführen. Allerdings gebe es in Vaihingen auch Bezirksbeiräte, die tatsächlich nicht einmal ihren Namen freigeben. Dies sei schon beim alten Bezirksbeirat so gewesen. „Das ist zu akzeptieren. Bezirksbeiräte sind nicht gewählt, es sind keine Mandatsträger, es ist ein Ehrenamt“, stellt Jehle-Mungenast klar. Hier fungiere das Bezirksamt als Geschäfts- und Servicestelle, um den Kontakt herzustellen.