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Das Kultusministerium muss die Schulen im Südwesten beim Datenschutz besser unterstützen.

Stuttgart - Das Kultusministerium muss die Schulen im Südwesten beim Datenschutz besser unterstützen. Das forderte der Datenschutzbeauftragte des Landes, Jörg Klingbeil, am Montag in Stuttgart. Auch bei der Polizei stellte er massive Verstöße gegen den Datenschutz fest.

Bei vielen Behörden sei das Bewusstsein für den Datenschutz noch zu wenig ausgeprägt, kritisierte Klingbeil gestern bei der Vorstellung des neuen Datenschutzberichts. Anbei einige Beispiele.

Kompetenzanalyse an Schulen

"Aus meiner Sicht sind die Schulen in Sachen Datenschutz partiell noch ein echtes Notstandsgebiet", sagte Klingbeil. Besonders die neue Kompetenzanalyse an den Haupt- und Sonderschulen ist den Datenschützern ein Dorn in Auge. Mit ihr sollen die Stärken und Schwächen der Schüler ermittelt und individuelle Kompetenzprofile für jeden Einzelnen erstellt werden. Aus pädagogischen Gründen sei diese durchaus sinnvoll, betonte Klingbeil. Allerdings sei der Umgang mit den hochsensiblen Daten nicht richtig geklärt. Mehrere Schulleiter hätten eingeräumt, dass sie sich keiner datenschutzrechtlichen Verantwortung bewusst seien und das EDV-Verfahren zentral vorgegeben worden sei. Er habe den Eindruck, "dass die Schulen und die Schulleiter, die in erster Linie ihren pädagogischen Auftrag im Auge haben und auch sonst vielfältigen Anforderungen ausgesetzt sind, in datenschutzrechtlicher Hinsicht ziemlich alleingelassen werden", so der oberste Datenschützer. Nötig sei, die Schulen stärker "an die Hand zu nehmen und dadurch zu entlasten". So könnte die Kultusverwaltung auf Kreis- oder Regierungsbezirksebene den Datenschutz für die Schulen übernehmen und diese zielgerichtet betreuen.

Orientierungsplan

Auch in den Kindergärten vermisst Klingbeil klare Regelungen über den Umgang mit sensiblen Informationen. So sollen nach dem Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in den Kindergärten die Erzieherinnen Entwicklungsverläufe und Bildungsprozesse der Kinder per Fotos und Videos dokumentieren. Doch dafür fehle eine klare rechtliche Regelung. Deshalb sei vielen kommunalen Kindergärten unklar, ob sie sich an die Vorgaben des Orientierungsplans halten müssten oder ob dieser lediglich den "Charakter von Anregungen und Empfehlungen" habe. Klingbeil stellte den Nutzen zunehmender Dokumentation infrage. Erfahrungen im Krankenhaus- und Pflegebereich zeigten, dass "die Zeit, die für die Dokumentation erforderlich ist, für die persönliche Zuwendung fehlt".

Einschulungsuntersuchung

Die umfangreiche Datenerhebung mittels Fragebogen sei weder aus fachlicher noch aus datenschutzrechtlicher Sicht erforderlich, sagte Klingbeil. Dabei würden nicht nur medizinische Informationen erhoben, sondern auch Fragen zum häuslichen Umfeld und zu Verhaltensauffälligkeiten gestellt. Positiv bewertete er das Vorgehen des Gesundheitsamts Stuttgart. Dieses verzichte auf den Elternfragebogen, stattdessen befrage ein Kinderarzt die Eltern bei der Untersuchung der Kinder.

Zweierlei Maß bei Polizei

Bei Ermittlungsverfahren in den eigenen Reihen speichert die Polizei weit weniger Informationen als bei Verfahren gegen Normalbürger. So wurde das Verfahren gegen einen Polizisten, der seinen Dienstwagen privat genutzt hatte, gegen eine Geldbuße eingestellt. Die Daten waren im zentralen polizeilichen Auskunftsystem nicht zu finden. Eine Überprüfung durch den Datenschutzbeauftragten ergab, dass zwei Drittel der Daten über Ermittlungen gegen Polizisten nicht gespeichert waren. Bei Otto Normalverbraucher hingegen würden häufig schon Bagatelldelikte wie Beleidigungen gespeichert.

Datenschutz-GAU in Kraichgau

Als größtmögliche Datenschutzpanne bezeichnete Klingbeil einen Vorgang in einer Gemeinde im Kraichgau. Diese hatte 2007 einen neuen Server getestet und vergessen, die Daten zu löschen. Die Festplatte mit Daten des Sozialamtes, Protokollen aus nichtöffentlichen Sitzungen und privaten Dokumenten und anderen Informationen landete schließlich bei einer Beratungsfirma in Nordrhein-Westfalen. Diese informierte den Datenschutzbeauftragten in Stuttgart.

Zukunft des Datenschutzes

2010 sollen die beiden Stellen, die für den Datenschutz im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich zuständig sind, zusammengelegt werden. Er hoffe auf eine "vernünftige Ausstattung", so Klingbeil. Mit derzeit 17 Stellen für den öffentlichen und acht Stellen für den nichtöffentlichen Datenschutz sei Baden-Württemberg bei der Aufsichtsdichte bundesweit Schlusslicht.

Reaktionen

Kultusminister Helmut Rau (CDU) wies die Kritik zurück. Eine Verwaltungsvorschrift enthalte "detaillierte datenschutzrechtliche Regelungen". Das Thema werde auch in den Fortbildungen behandelt.

SPD und Grüne forderten mehr Personal für den Datenschutz. "Die bisherige Rote Laterne im Bundesvergleich müssen wir unbedingt abgeben", so Andreas Stoch (SPD). Jürgen Walter (Grüne) verlangte, die Landesregierung müsse endlich einen Gesetzentwurf für ein neues Datenschutzgesetz vorlegen. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte, angesichts der angespannten Haushaltslage müsse genau geprüft werden, ob mehr Stellen notwendig seien.