Boris Palmer bringt auch noch den Datenschutzbeauftragten des Landes gegen sich auf. Foto: dpa/Gregor Fischer

Der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Stefan Brink, hat sich den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer vorgenommen – weil der Grüne die Namen auffälliger Asylbewerber speichern lässt. Der OB beschwerte sich daraufhin beim Innenminister.

Stuttgart/Tübingen - Ziemlich weit hinten, auf den Seiten 75 und 76 seines Jahresberichts, hat der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink einen Konflikt mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer öffentlich gemacht, der es in sich hat. Der Grüne hatte vor etwa einem Jahr eine sogenannte „Liste der Auffälligen“ anlegen lassen – für Migranten, die mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Das Ziel: auffällige Asylbewerber sollten zum Beispiel in ein Wohnheim mit Sicherheitsdienst verlegt werden oder häufiger die Unterkunft wechseln müssen. Auch sollten sie bei Behördenkontakten unter besonderer Beobachtung stehen.

In der Stadt hat dieses Vorgehen im Vorjahr bereits heftige Kontroversen ausgelöst. Konkret soll es sich Medienberichten zufolge bei der Liste um ein Outlook-Postfach handeln, auf das verschiedene Abteilungen in der Verwaltung Zugriff hätten. Die Daten würden aber nicht verschickt, sondern lediglich gespeichert.

Um zu prüfen, so Brink in seinem Tätigkeitsbericht, „ob diese besondere Form der Datenverarbeitung die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt“, habe er sich mit einem detaillierten Fragenkatalog an die Stadt Tübingen gewandt. Deren Stellungnahme sei „alles andere als befriedigend“ gewesen. „Nicht nur wurden zum Teil falsche Rechtsgrundlagen angegeben.“ Auch seien die Sachverhalte, die zur Aufnahme der Asylbewerber in der Liste führten, unklar geblieben. Detailliert schildert der Datenschutzbeauftragte, was ihm an der Reaktion missfallen hat.

„Wortreich“ beim Innenminister beklagt

Auf ein erneutes Schreiben seiner Behörde hätte die Stadt noch unzureichender reagiert. So sei diese nicht auf die Frage eingegangen, ob es konkrete Anhaltspunkte dafür gebe, dass die gelisteten Personen gegenüber städtischen Bediensteten jemals auffällig geworden seien. Die Tübinger hätten lediglich auf statistische Erhebungen über die Rückfallwahrscheinlichkeit bei Gewaltdelikten verwiesen.

Sodann wies Brink den OB auf die gesetzliche Pflicht der Stadt hin, die Datenschutzbehörde in ihrer Arbeit zu unterstützen. Daraufhin habe sich Palmer „wortreich“ bei Innenminister Thomas Strobl (CDU) beschwert: Die Datenschützer „würden immer nur weitere Fragen stellen“. „Für die Fachleute in seinem Haus sei nicht mehr erkennbar, welche Antworten wir erwarteten, was wir wollten, sei rechtlich nicht zulässig und vom Aufwand nicht zu leisten.“

Zudem begründete Palmer die Liste gegenüber dem Minister mit Gewalttaten von Asylbewerbern aus dem ganzen Bundesgebiet, die zum Zeitpunkt ihrer Taten vorbestraft waren oder zu Alter und Herkunft falsche Angaben gemacht hätten. In einer Mitteilung wirft der OB dem Datenschützer vor, sich „nicht mehr als Leiter einer Behörde, sondern als Politiker zu betätigen“.

Brink kündigt „weitere Maßnahmen“ an

Dieses Verhalten nennt Brink „absurd“. Zutreffend sei vielmehr, dass man bis heute nicht in der Lage sei, „konkret festzustellen, ob das, was dort vor sich geht, legal ist“. Die „Verweigerungshaltung der Stadt“ gebe Anlass, „weitere Maßnahmen zu ergreifen, die uns nach der Datenschutz-Grundverordnung zu Gebote stehen“.

Rückendeckung erhielt Brink am Donnerstag von Jonas Weber, dem Datenschutzexperten der SPD-Landtagsfraktion. „Die sogenannte ‚Liste der Auffälligen‘ ist nicht nur fremdenfeindlich, sondern entbehrt offenbar auch jeder datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage“, so Weber. Dass der OB sich dann noch beim Innenminister beschwert anstatt zu kooperieren, „schlägt dem Fass den Boden aus“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sollte seinen Parteifreund auf die Grundsätze dieses Rechtsstaates und die Unabhängigkeit des Landesdatenschutzbeauftragten hinweisen.