Die Talkgäste haben einen spannenden Einblick in ihr Tätigkeitsfeld während der Pandemie gegeben. Foto: /Andreas Hennings

Der dritte MZ-Talk hat verdeutlicht, wie verschiedene Einrichtungen die Corona-Krise bewältigen.

Marbach - Die Auswirkungen durch Corona sind allerorts zu spüren – besonders in den Altenheimen. Welche Ausmaße das annahm, schildert Helmut Wiedenhöfer, Leiter des Seniorenstifts auf der Schillerhöhe, im MZ-Talk. Er berichtet nicht nur vom strikten Besuchsverbot und von Tagen, an denen nicht mal Ärzte in Haus durften, sondern auch von einem „todtraurigen Bild“. Die Szenerie: Ein Ehepaar hat Goldenen Hochzeitstag, sie wohnt im Heim, er außerhalb. „Sie saßen sich dann am Fenster zur Terrasse gegenüber, dazwischen ein Absperrband. Er brachte ihren Brautschleier mit, den wir ihr aufsetzten.“

Inzwischen dürfen sich die Bewohner draußen mit Angehörigen treffen. Vorsicht ist dennoch geboten. Das Gefühl der Mitarbeiter, die Bewohner schützen zu müssen, schwebt über allem. „Seit zwei Wochen ist es ein schwieriger Spagat, für die Maßnahmen zu werben. Denn die Menschen nehmen überall die Lockerungen wahr. Vielen ist aber nicht bewusst, was es bedeuten würde, wenn sich ein Heimbewohner infiziert. Das hätte die sofortige Schließung der Tür und die Isolation in den einzelnen Zimmern zur Folge“, so Wiedenhöfer, der betont, dass die Bewohner „die friedlichste Gruppe“ bei diesem Spagat seien. „Das ist eine Generation, die noch Entbehrungen kennengelernt hat.“ Bei manchen Angehörigen sei das Verständnis schwieriger zu vermitteln.

Dass im Pflegebereich künftig mehr verdient werden kann, bezweifelt Helmut Wiedenhöfer. Er rechnet eher mit einer einmaligen Prämie. Wünschen würde er sich, dass die Politik auch sonst häufiger auf die Wissenschaft höre, wie sie das jetzt tut. „Die Aussetzung der Wehrpflicht hatte für uns katastrophale Folgen. Man hat nicht danach geschaut, was man damit anrichtet. Wir hatten zwölf Zivis, was von der Politik nicht ersetzt wurde.“ Manche Zivis hätten auch den Beruf des Pflegers eingeschlagen. „Aus dieser Zeit zehren wir bis heute. Das ist Grundlage, warum wir die Corona-Zeit so gut überstehen.“

Eine spannende Zeit erlebt auch Pfarrer Daniel Renz aus Murr. Er erweist sich in der Corona-Zeit als besonders kreativ, ob mit Live-Streams, Telefongottesdiensten oder einem Autogottesdienst. „Es ist schön, dass wir so experimentieren können“, sagt er. Für die Kirche sei es nichts Neues, in einer sich verändernden Welt neue Ideen entwickeln zu müssen. Spannend werde es aber, ob man es nach Corona schaffe, Neues und Altes zu verbinden und hybride Gottesdienste anzubieten, oder ob alles wieder normal läuft. Verabschieden müsse man sich als Kirche vom Gedanken, mit einem Angebot alle Zielgruppen zu erreichen. „Das hängt stark vom Format ab, und da gilt es den Blick zu schärfen.“ Jetzt herrsche großer Freiraum, Glauben noch mal neu zu buchstabieren und zu hinterfragen, was man jahrhundertelang gemacht habe. „Und den Freiraum erhalten wir uns hoffentlich. Die große Gefahr wäre, dass wir so schnell wie möglich alles zurückschrauben und es nicht schaffen, unsere alten Bilder von Kirche zu hinterfragen. Aber darum geht’s jetzt. Wann, wenn nicht jetzt?“ Schwierig gestalte sich derzeit die Seelsorge. Berührungen seien nicht möglich. Masken werden getragen. Es gehe hier nun vor allem ums Zuhören, Durchhalten und darum, die richtigen Fragen zu stellen. Und Ratlosigkeit einmal auszuhalten.

Von seinen Erfahrungen als Arzt einer Corona-Praxis berichtet David Strodtbeck aus Marbach. Knapp 500 Abstriche habe er seit Anfang April vorgenommen, zehn Prozent seien positiv gewesen. „Das ist milde. Vier Personen haben wir durch Corona aber auch verloren. In den letzten Wochen waren es nur noch zwei Infizierungen.“ Es gebe also keine hohe Dunkelziffer. Schwer abzuschätzen sei auch für ihn, ob eine zweite Welle kommen wird.

In seiner Praxis habe sich nicht allzu viel verändert, sagt David Strodtbeck. Abgesehen von den Corona-Sprechstunden und dass er mit dem Schutzanzug „wie ein Marsmensch“ aussehe. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung hatte er angefragt ob er Corona-Praxis werden kann. „Wir sind ein junges Team und haben da keine Angst.“

Der MZ-Talk geht jetzt in die Pfingstpause und wird nach den Ferien fortgesetzt. Die nächste virtuelle Gesprächsrunde findet am Dienstag, 16. Juni, um 19 Uhr statt.

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