Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel im Februar 2019 Foto: AP

Angela Merkel und Emmanuel Macron machen gerade eine schwierige Phase durch – dass er ihre EU-Spitzenkandidatenpläne mit Manfred Weber durchkreuzt hat, wiegt schwer.

Brüssel/Berlin - Die Zeit der Zärtlichkeit ist vorbei. Es klingt jetzt nüchtern, wenn Angela Merkel am Freitag über ihr politisches Verhältnis zu Emmanuel Macron spricht. „Wir respektieren uns“, erzählt die Kanzlerin über den französischen Präsidenten, der beim EU-Gipfel dazu beigetragen hat, dass Manfred Weber aus Merkels Schwesterpartei CSU als Kandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten so gut wie aus dem Rennen ist. Förderlich für die Beziehung ist das nicht, weshalb Merkel nicht von großen gemeinsamen Initiativen berichten kann, sondern betont, dass weder sie noch Macron einen offenen Bruch wollen: „Ich möchte keine Entscheidung gegen Frankreich treffen – und ich glaube, dass Frankreich keine Entscheidung gegen Deutschland treffen will.“

Das klang noch völlig anders, als Merkel bei Macrons Antrittsbesuch vor zwei Jahren Hermann Hesse zitierte, dem zufolge allem Anfang ein Zauber innewohnt. Lang scheint es her, dass die Beiden vor einem Jahr im Berliner Schloss eine „Neubegründung“ Europas mit weitreichenden Reformen ankündigten. Der eigene Eurozonen-Haushalt, auf den sie sich kurz danach auf Schloss Meseberg verständigten, ist just am Freitag in einer absoluten Minimalversion abgesegnet worden. Noch im vergangenen Herbst, als die ersten Zeichen dessen, was Macron heute „Unstimmigkeiten“ nennt, nicht zu übersehen waren, forderte er den Bundestag auf, trotzdem an die Beziehung zu glauben: „Wenn Sie die Worte aus Frankreich nicht verstehen, denken Sie daran, dass Frankreich Sie liebt“. Als im Januar der Aachener Vertrag unterzeichnet wurde, nannte er das Verhältnis „magisch“.

Zauber und Magie sind bei diesem EU-Gipfel endgültig verflogen

Ein Foto steht beispielhaft dafür, dass Zauber und Magie bei diesem EU-Gipfel endgültig verflogen sind: Zu sehen ist, wie das einst „Mercron“ getaufte Duo mit EU-Ratschef Donald Tusk den Personalstreit zu entschärfen suchte. Der Text, den der Pole auf Twitter zu dem Bild stellte, sprach Bände: „Gestern war ich vorsichtig optimistisch, heute bin ich mehr vorsichtig, denn optimistisch.“

Für den Franzosen kam der erste Beziehungsrückschlag mit der langwierigen deutschen Regierungsbildung. Als die Deutsche schließlich ihr viertes Kabinett um sich scharen konnte, war Macron schon fast ein Jahr Präsident, lag seine EU-Reformrede an der Sorbonne sechs Monate zurück. Zwar schreibt der Aachener Vertrag seit Januar diesen Jahres eine beispiellose Kooperation fest. Aber seine Paragrafen, die das Bemühen um eine gemeinsame deutsch-französische Position für alle wichtigen EU-Treffen vorsehen, hielten dem Praxistest nicht lange Stand – bei den Gesprächen zur Gaspipeline Nord Stream II konnte der offene Bruch in letzter Sekunde abgewendet werden, Berlin stimmte für, Paris gegen weitere Handelsgespräche mit den USA, und beim jüngsten Gipfel lud Macron zu allerlei kleinen Runden ohne Merkel.

Merkel ist nach Aachen zwei Mal auf Macron zugegangen, zwei Mal wurde sie enttäuscht. Sowohl ihre Kompromissbereitschaft bei der EU-Urheberrechtsreform wie beim Export gemeinsam produzierter Rüstungsgüter ins Kriegsland Jemen brachten ihr viel innenpolitischen Ärger ein – der umstrittene Artikel 13 der Copyright-Richtlinie führte im Netz zum Erfolgsslogan „Nie wieder CDU“, mit dem Koalitionspartner SPD musste lang über die Waffenausfuhren gerungen werden. Auf Dankbarkeit mag die Kanzlerin gehofft haben, sie blieb jedoch aus. Lieber gab Macron in diesem Frühjahr den Wahlkämpfer, der sich mit neuen EU-Reformvorschlägen direkt an die Bürgerinnen und Bürger Europas wandte und damit seinen eigenen Führungsanspruch offen zur Schau stellte – und Merkel wieder einmal in die Ecke drängte.

Dass er Weber nicht will, nimmt Merkel Macron übel

„Richtig sauer auf Macron“, wie ein CDU-Vorstandsmitglied Merkels aktuellen Gemütszustand beschreibt, ist die Kanzlerin aber wegen dessen Haltung zu den Spitzenkandidaten. Macron hat sich früh klar gegen den Automatismus gewandt, dass derjenige Kommissionschef wird, den die am Ende stärkste Fraktion im Europaparlament ins Rennen geschickt hat – seine Liberalen haben erst gar keinen Spitzenkandidaten nominiert. Dass er Weber nicht nur wegen seiner Parteizugehörigkeit abgelehnt hat, sondern Macron auch aus Rücksicht auf innenpolitische Widerstände von Rechtsaußen generell keinen Deutschen will, nimmt ihm Merkel Insidern zufolge besonders übel.

Dass sie nach dem Gipfel keine Grundlage mehr dafür sah, sich noch in irgendeiner Weise für Weber einzusetzen, macht es der Kanzlerin auch innenpolitisch nicht einfacher. Ihre ursprüngliche Unterstützung für Weber fiel in eine Zeit, als der bittere Asylstreit zwischen CDU und CSU erst wenige Wochen zurücklag – der gemeinsame Kandidat half dabei, die Wunden zu heilen. Nun werden sie nicht automatisch wieder aufbrechen, da die Kanzlerin von der CDU dem CSU-Mann doch nicht zum Brüsseler Spitzenamt verhelfen konnte und CSU-Chef Markus Söder das Gipfelergebnis als „enttäuschend“ bezeichnet hat. Es hebt aber auch nicht die unionsinterne Stimmungslage.

Schuld daran ist vor allem Macron. „Er ist in diesem Punkt vor allem auf seine eigene Profilierung bedacht“, heißt es im Umfeld der Kanzlerin, die ansonsten über ein intaktes Verhältnis mit dem Mann im Élyée verfüge. „Nein, wirklich nicht“, antwortet Merkel selbst auf die Frage, ob sie mit Macron derzeit die schwierigste Phase ihrer politischen Beziehung durchlaufe. Dass es schwierig ist mit ihm bei der Personalsuche bestreitet sie nicht: „Insofern müssen wir uns zusammenraufen.“