Von Castelfalfi aus hat man einen Blick auf die Bilderbuchlandschaft der Toskana. Foto: Marco Awerbuch/Tui Foto:  

In der Toskana hat der Reisekonzern Tui in Castelfalfi ein Musterprojekt für nachhaltigen Tourismus geschaffen, das der Region nützt – und sich langfristig auch für den Konzern auszahlen könnte. Das Projekt war umstritten.

Castelfalfi - Antonio Tripodi hat den ökonomischen Niedergang seiner Heimatregion miterlebt. Umso mehr freut sich der Winzer über den erfolgreichen Neustart. „Dieses Tourismusprojekt tut uns gut, das haben auch Kritiker begriffen“, sagt der 38-jährige Italiener. „Allein hier in unserem Wein- und Olivenanbau haben zwölf Leute aus der Umgebung solide Jobs, die es sonst nicht mehr gäbe.“

Tripodi arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten in Castelfalfi. Das kleine, 800 Jahre alte Dorf zwischen Florenz, Pisa und Siena könnte allein wegen der Aussichtslage in der Hügellandschaft der Toskana die Werbeprospekte für Italiens schönste Urlaubsregionen zieren. Vielleicht wird das bald auch so sein. Mit der Tui hat der größte Reisekonzern der Welt den Landstrich vor zehn Jahren aufgekauft, um ein Modellprojekt für sanften Tourismus zu schaffen.

Das hat auch Tripodis Winzerjob gerettet. Denn die deutschen Urlaubsmacher erwarben nicht nur das beinahe ausgestorbene Landgut mit elf Quadratkilometer Grundbesitz, sondern auch den baufälligen alten Ortskern mitsamt Burg und öffentlichem Schwimmbad. Dazu zwei Dutzend verfallene Gehöfte und Ställe, 110 Kilometer Straßen, einen Golfplatz, 450 Hektar Wald, fast 1000 Jahre alte Olivenhaine und zwölf Hektar Chianti-Weinberge. Seither schickt der Tourismus-Riese aus Hannover nicht nur Millionen Reiselustige in alle Welt, sondern produziert auch Rebensäfte und Olivenöle in Öko-Qualität.

Der Manager schwärmt von der Landschaft

Wenn Sebastian Ebel nach Castelfalfi kommt, ist der Tui-Topmanager hin- und hergerissen. „Ein luxuriöses Ferienresort in solch fantastischer Umgebung findet man nur selten“, schwärmt der Konzernvorstand. Zuletzt brachte er Tui Deutschland mit harter Hand auf Renditekurs.

Bei Aktionären kam das gut an – ganz anders als der Coup in Italien, den noch Ex-Konzernchef Michael Frenzel initiiert hatte. Als Tui das Dorf 2007 kaufte, schüttelten manche ungläubig den Kopf. Die Gebäude waren verfallen, bloß fünf von einst 600 Bewohnern lebten noch im Ort, der ein trostloses Bild bot. Nach der Pleite vieler Tabakfabriken hatte schon vor Jahrzehnten die Landflucht die Region entvölkert.

Zwar gab es schon Tourismus und einen schönen Golfplatz, doch keine zeitgemäße Infrastruktur. Der vorherige Besitzer, eine Mailänder Immobilienfirma, war pleite und die finanzierende Bank gleich mit. So konnte Tui recht günstig zugreifen. Doch schnell kam die Ernüchterung, zumal die weltweite Finanzkrise bald auch die Reisebranche erschütterte.

Das Projekt war umstritten

„Ich glaube nicht, dass wir so etwas noch mal machen“, räumt Ebel rückblickend ein. „Das gesamte Immobilienprojekt verlief schwierig.“ Immerhin sei man unter den geplanten Gesamtausgaben von 250 Millionen Euro geblieben und dennoch mit 200 Mitarbeitern größter Arbeitgeber der Region.

Zunächst stieß das Tui-Dorf auch vor Ort auf Skepsis. Naturschützer und alteingesessene Tourismusbetriebe kritisierten den Ausverkauf ihrer Heimat. Das Tui-Land ist so groß wie die Altstadt von Florenz, die nur gut eine Autostunde entfernt liegt.

Die verkehrsgünstige, aber dennoch ruhige Lage spielt eine große Rolle. Denn Castelfalfi soll ein exklusives Urlaubs- und Golfresort für Natur- und Kulturliebhaber aus aller Welt werden, ebenso aber Einheimische aus Mailand, Venedig, Bologna und Rom anziehen.

Hotels mit vielen Sternen

Schon bald gab es Konflikte mit den italienischen Behörden um die Größe des Projekts, um Genehmigungen für Neu- und Umbauten, um Bestands- und Denkmalschutz. Baumaßnahmen verzögerten sich um Jahre, manche wurden gestrichen. Bald galt Castelfalfi als größtes Tui-Sorgenkind. Zeitweise stand das Vorhaben auf der Kippe.

Daran erinnert heute vor Ort fast nichts mehr. Im aufwendig restaurierten Kastell empfängt nun das Burg-Restaurant La Rocca zahlungskräftige Gäste. Weit hinaus reicht hier an sonnigen Tagen die Aussicht, auf sanfte Hügel, weite Olivenhaine und lange Zypressenreihen. In der Ferne schimmert die Silhouette der Bischofsstadt Volterra mit ihren mächtigen Kirchenbauten.

„Hier ist einer der schönsten Flecken Erde, die ich kenne“, sagt Hoteldirektor Marco Metge beim Blick auf die toskanische Bilderbuchlandschaft. Er leitet das Fünfsterne-Resort Il Castelfalfi von Tui Blue mit 120 Zimmern, das im Frühjahr eröffnet hat. Gegenüber dem unauffälligen Hotelneubau steht das Vier-Sterne-Haus La Tabaccaia, das Tui 2013 als erstes Hotel nach dem Neustart in einer umgebauten Tabakfabrik eröffnete. Von hier sind es nur ein paar Schritte zum historischen Ortskern. Die Gebäudezeilen neben einer Medici-Villa wurden originalgetreu und teuer restauriert.

Es sind kaum Menschen unterwegs

Statt des früheren Dorflebens gibt es jetzt elf Ladengeschäfte für Touristen und 47 luxuriöse Ferienwohnungen. Die Quartiere sind mittlerweile an Vermögende aus aller Welt verkauft, die sie teils vermieten, teils für ein paar Wochen selbst nutzen und ansonsten leer stehen lassen. An normalen Wochentagen sind hier kaum Menschen unterwegs, so wirkt alles noch etwas steril.

Unten im Tal ist mehr los, dort leuchtet das Grün des 27-Loch-Golfplatzes zwischen dem noblen Clubhaus, verstreuten Anwesen und graublauen Hügel. Die Vermarktung der 25 Landhäuser und der elf Golfvillen ringsum läuft trotz eigenem Pool bei Preisen von teils 3,5 Millionen Euro schleppend.

Im Rathaus der Gemeinde Montaione, zu der die Tui-Ländereien gehören, spart Bürgermeister Paolo Pomponi nicht mit Lob: „Die Modernisierung erfüllt uns mit Stolz.“ Montaione ist ein Problemfall von vielen in der strukturschwachen Toskana. Die finanzschwache Gemeinde hat gerade noch gut 3000 Einwohner, der Tourismus hält viele mehr schlecht als recht über Wasser. Doch nun gibt es das Tui-Land. Wenn sich Castelfalfi erfolgreich etabliert, bekommt das Dorf vielleicht eine weitere Attraktion. Der Bau eines großen „Robinson“-Ferienclubs gilt im Tui-Konzern als Option.