Die VfB-Profis sind zurzeit oft einen Schritt zu spät – hier köpft Nikolai Müller (Mitte) zum 3:0-Endstand für die klar überlegene Eintracht aus Frankfurt ein. Foto: Getty

Die Profis des VfB Stuttgart laufen in der Fußball-Bundesliga buchstäblich hinterher. Zu oft sind sie zurzeit den entscheidenden Schritt zu langsam. Die Fitnessexperten Rolf Brack und Oliver Schmidtlein erklären, wie man am besten Abhilfe schaffen kann.

Stuttgart - Die körperliche Verfassung des VfB Stuttgart macht fassungslos. Kopfschütteln auf der Tribüne – und blankes Entsetzen beim TV-Experten Matthias Sammer. „Der VfB kann momentan nicht mitgehen. Wenn du das nicht kannst, dann musst du arbeiten“, sagte der frühere Stuttgarter Meisterspieler und Trainer in seiner Analyse des Heimspiels gegen Eintracht Frankfurt (0:3) bei Eurosport. „Wenn du als Profi das Gefühl hast, ich bin nicht in der Verfassung, dann hast du dich – unabhängig vom Mannschaftstraining – in die Verfassung zu bringen. Also zieh dir die Turnschuhe an und lauf! Die Mannschaft hat keine gute Verfassung.“

Die Kompaktheit ist verschwunden

Der VfB ist zurzeit weit von dem Niveau entfernt, mit dem er in der ersten Jahreshälfte zum zweitbesten Rückrundenteam in der Fußball-Bundesliga avancierte. Die Kompaktheit, die ihn erfolgreich machte, ist verschwunden. Sportvorstand Michael Reschke räumt ein, dass das Team „körperlich nicht in einer Topverfassung“ ist. Die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen sind klaffend, etliche Spieler außer Form.

Die Stuttgarter laufen der Konkurrenz hinterher.

Ein Blick auf die Laufleistung zeigt im Vergleich zur Vorsaison einen Rückgang von 116,15 auf 113,40 Kilometer im Durchschnitt pro Partie. Damit sind die Stuttgarter in dieser Statistik von einem Mittelfeldplatz auf den vorletzten Rang zurückgefallen, nur Fortuna Düsseldorf läuft weniger. Trotz dieser Duplizität zur Bundesliga-Tabelle ist die Fitnessthematik beim VfB jedoch keine reine Ausdauerthematik. Die Mängel liegen vielmehr in Sachen (Handlungs-)Schnelligkeit und Agilität – das, was der frühere Stuttgarter Trainer Hannes Wolf (jetzt beim Hamburger SV) gerne mit seinem Lieblingsbegriff „Intensität“ beschrieben hat.

In Sachen Spritzigkeit, Wucht und Dynamik nicht konkurrenzfähig

Es geht auf höchstem Fußballniveau beispielsweise darum, im richtigen Moment mit Verve zu attackieren oder auf engem Raum schnell passende Lösungen zu finden, wenn ein Gegner wie zuletzt am Freitag Eintracht Frankfurt aggressiv anläuft. Die Stuttgarter sind zurzeit in Sachen Spritzigkeit, Wucht und Dynamik jedoch nicht konkurrenzfähig – zumindest nicht gegen Mannschaften aus der vorderen Tabellenhälfte wie Borussia Dortmund (0:4), 1899 Hoffenheim (0:4) und jüngst Eintracht Frankfurt. Es fehlt ihnen die Power, sich richtig zu wehren, wenn der Gegner Tempo und/oder Robustheit ins Spiel bringt. Zu oft sind die Stuttgarter den entscheidenden Schritt zu langsam.

„Wenn die Handlungsschnelligkeit fehlt, kann das durch Über- oder Untertraining bedingt sein“, erklärt Oliver Schmidtlein aus München, ehemaliger Fitness- und Rehatrainer des FC Bayern München und der Nationalelf, ganz generell. Um körperliche Defizite aufzuarbeiten, ist es aus seiner Sicht sinnvoll, nach eingehender Leistungsdiagnostik individuelle Pläne für jeden einzelnen Profi zurechtzuschneidern. „Der Stress, der mit mangelndem Erfolg einhergeht, wirkt sich bei jedem Spieler anders aus“, sagt Oliver Schmidtlein. „Das Problem, das der geneigte Zuschauer im Stadion zu sehen glaubt, ist vielleicht auch durch Gehemmtheit oder Angst bedingt. Vielleicht sind die Agilitäts-, Sprint- und Ausdauerwerte gut – da muss der Trainer dann mehr Psychologe sein.“

Mängel werden schonungslos aufgedeckt

Der Trainer des VfB Stuttgart heißt seit Kurzem Markus Weinzierl. „Wir haben aktuell einfach Probleme. Das merkt man, das sieht man – das sieht jeder im Stadion“, sagt er. Fragen nach dem Fitnesszustand der Mannschaft, die er vor genau vier Wochen von Tayfun Korkut übernommen hat, umschifft er indes beharrlich. Der 43-Jährige sagt nur: „Wir arbeiten intensiv. Und ich hoffe, dass wir uns über den Umfang im Training in diesem Bereich steigern.“

Durch seine aktivere Spielweise werden die Mängel schonungslos aufgedeckt, weil diese keine körperlichen Defizite duldet respektive kaschiert. Besonders das zweite Gegentor durch die Eintracht, als die Frankfurter in Überzahl auf das VfB-Tor zueilten und gleich sechs Stuttgarter weit weg vom Geschehen waren, hatte entblößenden Charakter.

Die Aufarbeitung läuft

Wie genau sich nun Verbesserungen erzielen lassen? „Die Handlungsschnelligkeit ist in allen Sportspielen der entscheidende Erfolgsfaktor. Aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht sind hierzu hochintensive Kleinfeldspiele und Zweikampfübungen besonders geeignet“, sagt Rolf Brack, Sportwissenschaftler von der Universität Stuttgart mit langjähriger Praxiserfahrung als Trainer in der Handball-Bundesliga. „Durch die hohe Motivation in Wettkampfsituationen werden sowohl der Kopf als auch die Beine im Training maximal gefordert und das Spieltempo gefördert.“

Der Versuch, die Defizite aufzuarbeiten, läuft. Markus Weinzierl hat das Trainingspensum beim VfB im Vergleich zu seinem Vorgänger deutlich erhöht.