Traumpaar am „Schwanensee“: Alexander Mc Gowan und Ami Morita begeistern bei ihren Debüts. Foto: Stuttgarter Ballett

Das Stuttgarter Ballett hat die „Schwanensee“-Hauptrollen neu verteilt: Ami Morita wuppt die weibliche Doppelrolle an der Seite eines Überraschungs-Prinzen.

Stuttgart - Wenn ein tanzender Körper von Musik förmlich durchflossen wird und dabei die Innenwelt der Figur sichtbar macht, entfalten sich die Reize des Balletts aufs schönste. Das gelang Ami Morita bei ihrem Debüt als Odile und Odette in John Crankos „Schwanensee“-Fassung am Samstagabend unter erschwerten Bedingungen im Stuttgarter Opernhaus. Bis zuletzt hatte die japanische Solistin den herausfordernden Doppelpart des weißen und schwarzen Schwans an der Seite von Martí Fernández Paixà einstudiert, bis eine Verletzung die Umbesetzung der Prinzen-Rolle notwendig machte. Und so blieb Morita nur die Generalprobe, um sich an ihren neuen Partner in Gestalt des langen und schmalen Alexander Mc Gowan zu gewöhnen, der in einer anderen Besetzung als Zauberer Rotbart gesetzt ist.

Mit Freude an einer detaillierten Darstellung war Mc Gowan ein junger Siegfried, der seine Umgebung würdevoll erduldet, bis ihn die Sehnsucht nach einer jenseitigen Welt geradezu magnetisch fortzieht. Passend: Die gestriegelte Prinzenfrisur ließ das krause Haar des Texaners am Hinterkopf durchblitzen. Miriam Kacerova nutzte ihre entwaffnende Strahlkraft nach der Babypause souverän, um ihrem jungen Kollegen im ersten Akt über die anfängliche Nervosität beim Tanz mit den Bürgerinnen hinwegzuhelfen. Doch schon in der Waldszene legte Mc Gowan an Format zu, seine zuvor etwas kantigen Sprünge gewannen an Spannkraft.

Gastdirigent Kevin Rhodes bringt gegensätzliche Welten zum Klingen

Ami Morita verkörperte als Odette eine unerlöste Seele. Dabei kostete sie die Adagios in Tschaikowskys Ballettmusik in ruhiger Selbstvergessenheit aus. Ihre feinnervigen Flügelschläge und Zuckungen verdeutlichen zugleich, dass sie ihr weißes Federkleid als Fessel empfindet, die es abzuschütteln gilt. Dass ihre musikalische Interpretation so stimmig gelang, lag sicher auch an Gastdirigent Kevin Rhodes und dem Staatsorchester. Schon in der Ouvertüre hatte es die gegensätzlichen Klangwelten der Komposition erlebbar gemacht, hier fern und transzendent, dort voll und räumlich.

Nachdem im dritten Akt bereits Mc Gowan mit Sonia Santiago als Prinzenmutter vorführten, wie vielsagend man sich allein mit den Augen mitteilen kann, schoss Ami Morita als schwarzgefiederte Odile ihre Funkelblicke in alle Richtungen und machte damit ihre Komplizenschaft mit Rotbart deutlich. Für ihren finsteren Vater, von Matteo Crockard-Villa mit urgewaltiger Kraft versehen, hatte sie als dessen Werkzeug und Vollstreckerin mindestens so viel Aufmerksamkeit wie für Siegfried, den es ins Verderben zu locken galt. Selbst beim Publikum vergewisserte sich die Solistin ihrer Tücke und Raffinesse, die sie mit einer imposanten Serie energischer Doppel-Fouettés unter Beweis stellte.

Als Paar harmonierten Odile und ihr Prinz im vierten Akt am besten. Das machte das Ende umso tragischer, in dem sich Morita zitternd zwischen Siegfried und den Zauberer drängte und tanzend um sein Leben rang. Berührend auch Mc Gowans Todeskampf in den Wellen. Langer Applaus belohnte die Debütanten und alle Beteiligten.