Die Katalanen haben abgestimmt. Die Spanier Sebastián Peréz (links) und Marius Borras leben in Stuttgart und haben ihre ganz eigene Meinung zum Referendum in Spanien. Das Referendum und die Folgen sehen Sie in unsere Bilderstrecke – Klicken Sie sich durch. Foto: privat

Die Abstimmung der Katalanen wird auch in Stuttgart unter den Spaniern unterschiedlich bewertet. Im Mittelpunkt der Debatte steht natürlich auch der Einsatz der Polizei.

Stuttgart - Nach dem umstrittenen Unabhängigkeits-Referendum Kataloniens ist Spanien in Aufruhr. Was halten die in Stuttgart lebenden Spanier davon? Drei Meinungen:

„Katalonien hat das Recht zu Wählen und zu entscheiden, was das Volk will. Das ist Demokratie“, erklärt José Antonio García Cabezas. Der 29-Jährige arbeitet als Maschinenbauingenieur in Stuttgart und ist selbst gebürtiger Katalane. Trotzdem ist er gegen das Referendum und die Abspaltung von Spanien.

Beide Regierungen, glaubt García Cabezas, hätten die Spanier benutzt, um an der Macht zu bleiben oder zu gelangen: „Die spanische Regierung wollte das wirtschaftsstarke Katalonien nicht verlieren und der König will an der Macht bleiben“, erklärt der gebürtige Katalane. Im Gegenzug hätte die katalonische Regionalregierung bewusst die spanische Regierung provoziert und ohne Rücksprache mit Madrid das Referendum abgehalten. „Beide Seiten haben es geschafft, Hass zu säen“, sagt García Cabezas.

Er vergleicht die Situation mit dem G20-Gipfel in Hamburg: Die Polizisten hätten nur Befehle ausgeführt, die Schuld liege allein bei den Regierungen. „Meine Eltern sind aus Angst vor der Polizei nicht wählen gegangen“, berichtet er weiter. Auch sie sind gegen die Abspaltung, denn bislang hatten die beiden friedlich unter Katalanen gelebt. Viele seiner Freunde in Barcelona seien trotzdem für die Abspaltung, bedauert García Cabezas. Er ist sich sicher, dass weitere Eskalationen folgen. Er sieht die Lösung für sein Land in der Abschaffung der Monarchie und in der Umwandlung in einen Föderalstaat, wie Deutschland einer ist.

Radikale Demokraten

Der Spanier und gebürtige Katalane Marius Borras sieht das anders und fragt sich: „Wie kann so viel Gewalt auf eine so harmlose Aktion folgen?“ Borras lebt seit elf Jahren in Stuttgart und ist einer der Mitbegründer des katalonischen Vereins Stuttcat.

Mit 50 anderen Mitgliedern hatte Borras für das Recht auf Selbstbestimmung auf der Königsstraße demonstriert und die Frage gestellt: Ist alles, was illegal ist auch illegitim? Längst gehe es ihm nicht mehr nur um die Unabhängigkeit, sondern um die fraglichen Methoden der Regierung. „Wir sind über die Gewalt der Polizei entsetzt“, sagt er. Borras beschreibt sich als radikaler Demokrat und findet: Beim Wählen sollte niemand verletzt werden. Er selbst hat per Briefwahl für die Unabhängigkeit gestimmt. Ein Problem zwischen Spaniern und Katalanen sieht er nicht, im Gegenteil: „Ich und meine Frau sprechen mit unserem Sohn katalanisch und spanisch. Das ist einfach eine Frage der Toleranz“, sagt Borras.

Verfassungswidrig, illegal und nicht demokratisch

„Katalonien sollte sich nicht von Spanien abspalten, wir haben schließlich eine lange gemeinsame Geschichte! Aber am Ende ist es ihre Entscheidung“, findet Sebastián Peréz. Er stammt ursprünglich aus Almería, einer kleinen Stadt in Andalusien, ein Teil seiner Familie aber lebt heute in Katalonien. Das Referendum sagt Peréz, der in Stuttgart lebt und arbeitet, sei verfassungswidrig, illegal und damit nicht demokratisch. „Wahlen ja, aber zuerst müssten sie die Verfassung ändern!“, findet Peréz. Auch seine Verwandtschaft teilt diese Ansicht, sie selbst hätten sich deswegen nicht an der Abstimmung beteiligt.

„Mein Bruder musste Barcelona verlassen, weil es dort keine Verständnis für Spanier gibt, die gegen die Abspaltung sind“, berichtet er weiter. Zwar hat der gebürtige Spanier viele Katalanen als Freunde, warum sich Katalonien vom Rest Spaniens abspalten will, kann er trotzdem nicht nachvollziehen. „Das würde ihnen nur Nachteile bringen, auch weil sie dann raus aus der EU sind“, sagt der 30-Jährige. Aber er glaubt auch zu wissen: Vieles, was Politiker beider Regierungen verkünden, sei schlichtweg falsch. Zwar stimmten ihn die Vorfälle in seinem Heimatland traurig, den Einsatz der Polizei finde er aber gerechtfertigt: „Man muss eben Grenzen setzen, wenn Gesetze gebrochen werden.“

Reisen nach Spanien

Die Tourismusbranche reagiert unaufgeregt auf die Vorgänge in Spanien. „Aktuell haben wir keine Stornoanfragen für Katalonien oder spanische Städtereisen“, erklärt eine Tui-Sprecherin am Mittwoch. Bislang habe es keine nennenswerte Vorkommnisse gegeben, heißt es auch beim Reiseveranstalter DER Touristik.