Fast täglich ab 15 Uhr erlebt das ZDF ein Quotenhoch. Dann schauen 3 Millionen Menschen den TV-Flohmarkt „Bares für Rares“. Mittlerweile darf die Show sogar ins Abendprogramm: Zeit für ein Gespräch unter Fans in der Redaktion.
Stuttgart - Zuschauer schleppen ihre Dachbodenfunde an, Experten geben eine Einschätzung ab, eine Gruppe Antiquitätenhändler macht Gebote, und Horst Lichter moderiert das herzlich. „Bares für Rares“ ist so simpel wie erfolgreich. Ariane Holzhausen und Thomas Klingenmaier überlegen, wieso eigentlich.
Thomas Klingenmaier „Bares für Rares“ ist so ein Erfolg, da musste ja ein Abendformat kommen. Wie gefällt denn Dir die Luxusvariante, mit der herrschaftlichen Inszenierung auf einem Schloss?
Ariane Holzhausen Jetzt mit Pomp und Pomade. Und Horst Lichter als König.
TK Das verrät den demokratischen Kern der Sendung: Jeder kann alles anbringen. Ramsch, Kuriositäten, Kunst und Preziosen bekommen gleichermaßen ihren Moment der Aufmerksamkeit.
AH Beim Abendformat geht es von vornherein um Teures. Mich interessiert das aber viel weniger als die kleinen Alltagsgegenstände. Mit denen funktioniert doch das reguläre Format so gut. Alle haben es kopiert, keiner bekommt es so gut hin.
TK Was zur Frage führt: Was fasziniert so an der Trödelshow?
AH Für mich die Erinnerungsanstöße. Sachen tauchen auf, die mal alltäglich waren. Oder die ich jedenfalls noch kenne. Und nun sind sie eine Rarität.
TK Dann würdest du im Nostalgierausch gern mitbieten?
AH Manchmal. Es gab mal so eine Busschaffnerkasse zum Umhängen, Du erinnerst Dich? Diese Röhren, aus denen er das Wechselgeld drückte? Da sind so viele Erinnerungen zurückgekommen.
TK Ans Schwarzfahren wahrscheinlich. Kaufst du so was dann wirklich?
AH Ich habe immer brav Fahrkarten gekauft. Woher kenne ich das Gerät wohl so gut? Sagen wir so: Ich habe Sachen mit hohem emotionalem Wert und geringem Nutzwert. Ab und an kommt was dazu. Aber ich werfe auch weg.
TK Dass beispielhaft Dinge vorm Wegwerfen gerettet werden, ist für mich der Kern. Dass in einer Welt, die auf raschen Verschleiß und Konsum setzt, Ausrangiertem ein Wert zurückgegeben wird.
AH Wobei ich gar nicht immer wissen will, was die Experten und Händler zu sagen haben. Das ist mir manchmal zu viel Protzen mit Kennerschaft.
TK Da wird eben etwas eingehender Betrachtung unterzogen, was sonst eher aus einem Impuls heraus gekauft wird. Jetzt bekommt ein Ding seine Geschichte zurück, wird in einen Zusammenhang gerückt. Darin liegen die Utopie vom Abbau der Müllberge und Trauer über die Vergänglichkeit der Dinge und des Wissens.
AH Du überfrachtest das völlig. Das Tolle ist doch, dass es eine Sendung ohne Dramaturgie ist. Keine Showelemente, keine Stargäste, keine Songs, kein Brimborium. Und das Ganze lässt sich sehr viel Zeit.
TK Dramaturgie scheint mir da schon im Spiel zu sein. Es muss ja eine Vorauswahl der Anbieter und Gegenstände geben.
AH Du kannst Dich via Internet bewerben. Und dann, lange bevor die Experten vor der Kamera draufschauen, findet tatsächlich eine Vorauswahl statt.
TK Ich bin baff. Du hast das ja gut recherchiert. Weil Du Deine Sammlung Wikinger-Trinkschädel anbieten möchtest?
AH Nee, die benutzen wir jeden Abend.
TK Noch was Dramaturgisches: Die Händlerrunde ist stets bunt gemischt.
AH Muss sie auch sein, weil nicht jeder Händler für alles Kunden hat. Der Mix der Typen gibt Dir zudem die Chance, Dir einen Liebling auszugucken. Meiner ist Lucki, Ludwig Hofmaier aus Bayern.
TK Weil er wildere Hemden als Jürgen von der Lippe trägt?
AH Modetrottel. Weil er sich nicht so zum großen Kenner aufspielt. „Des is amoal was schees, des gfallt mir guat“, sagt er ja gern. Übrigens ist er ein Großmeister des Handlaufens, das wusstest Du natürlich wieder nicht.
TK Ich bin doch schon froh, wenn ich mich ohne Bandscheibenvorfall am Kopf kratzen kann.
AH Tröste dich, die sportlichsten Tage hat auch Lucki hinter sich. Aber 1967 ist er auf Händen von Regensburg nach Rom gepilgert, 1070 Kilometer.
TK Wow. Ja, er ist das größte Original im Händlerpool. Aber allesamt korrigieren die ja das Bild vom Raritätenhai, der nur einen Schnitt machen will. Man spürt oft Zuneigung zum Angebotenen, die nichts mit der Gewinnspanne zu tun hat. Man fragt sich manchmal, wie sie es schaffen, etwas wieder aus der Hand zu geben.
AH Das frage ich mich vor allem bei manchen Verkäufern. Da erfahren sie endlich, wie interessant ihre Gegenstände sind. Oder erzählen selbst eine rührende Familiengeschichte, die mit ihrem Stück verbunden ist. Und dann geben sie das auf Nimmerwiedersehen her.
TK Ich frage mich oft, ob da jemand gute Miene zu akuter Geldnot macht.
AH Kann auch der Arenaeffekt sein. Du weißt, dass du nur vor der Kamera stehst, weil Du etwas zu verkaufen hast. Also verkauft Du es jetzt auch, um kein Spielverderber zu sein. Bei vielen geht es vielleicht darum, einmal ins Fernsehen zu kommen. Der Gegenstand ist die Eintrittskarte.
TK Stimmt, keine andere Sendung hat eine so niedrige Zugangsschwelle. Du musst nicht singen oder mit dem Gabelstapler ein Ei schälen können, auch kein wandelndes Lexikon mit Quiznerven sein.
AH Die Interpretation, es ginge hier nur um Reibach, ist jedenfalls Quatsch.
TK Volle Zustimmung. Es geht auch um eine andere Art Umgang miteinander. Da werden Verkäufer, die sonst eher zugeknöpft sind, vom peinlichkeitsfrei duzenden Moderator Horst Lichter so behandelt, als seien sie Teil einer lockeren Gemeinschaft.
AH Da entsteht so ein Wir-Gefühl. Das ganze Land auf Duzfuß miteinander.
TK Und jeder gönnt dem anderen den Erfolg.
AH Um da noch mal aufs Abendformat draufzuhauen: Da zeigen sie ja die mitgebrachten Familien und Freunde hinter der Bühne, wie sie Daumen drücken und das Hochbieten bejubeln. Die Verkäufer werden dann geherzt und gefeiert – alles wie bei Castingshows. Als sei das ein Wettbewerb mit Siegern und Verlierern. Wer bekommt seines am teuersten verkauft?
TK Stimmt, das ist unschön. In die Abendshow gehen wir schon mal nicht.
AH Nein, nur in die am Nachmittag, die ist viel schöner.
TK Und was verkaufst Du?
AH Dich. Du bist ideal: weitgehend nutzlos, auffällig und zum Glück ein Unikat.
Info
Erfolgsgeschichte:
Am 3. August 2013 ging es los mit „Bares für Rares“. Inzwischen liefen mehr als 900 Episoden. Jede Woche bewerben sich zwischen 500 und 1000 Menschen darum, in der Sendung Trödel oder Kostbarkeiten verkaufen zu dürfen. Der Marktanteil im Nachmittagsprogramm liegt stets über 20 Prozent, im Schnitt sind das 3 Millionen Zuschauer. Bei der Abendvariante schauen schon mal 6 Millionen zu.
Angebot
: Im Prinzip kann man hier alles verkaufen: Wertvolle Uhren, angerostete Werkzeuge, Designermöbel, Landschaftsschinken in Öl und, wie unsere Redakteure auf den Fotos, mehr oder weniger seltenes Kinderspielzeug.
Sendung:
Montags bis Freitag läuft „Bares für Rares“ ab 15.05 Uhr im ZDF. Am 18. 12. 2019 kommt es zusätzlich wieder mal um 20.15 Uhr – mit hochpreisigen Gegenständen und Verona Pooth als Verkäuferinnen-Promi.