Wieder am Start: das US-Metalquartett Metallica Foto: StZ

Die US-Band Metallica kehrt zu ihren Wurzeln zurück und legt das hervorragende neue Album „Hardwired … to Self-Destruct“ vor.

Stuttgart - Fangen wir bei „Load“ an, dem sechsten Album der Band Metallica aus dem kalifornischen San Francisco, erschienen 1996. Genauer gesagt beim dort zu findenden Titel „Until It Sleeps“. Er ist bei näherer Betrachtung das letzte große Lied dieser Band, das richtig hängen blieb. Nicht weil es einst in den Jukeboxen selbst der letzten Dorfschenke zu finden gewesen wäre – wie etwa die Metallica-Songs „Nothing Else Matters“ oder „Enter Sandman“. Auch nicht, weil es von der Gruppe in prügelnder Härte heruntergedroschen worden wäre, wie das Quartett dies etwa in der Coverversion des schon im Original nicht gerade unflotten „Green Hell“ zu halten pflegte. Sondern weil „Until It Sleeps“ ein echter und reinrassiger Rockmusikhit war.

Geschrieben worden ist es freilich von einer echten und reinrassigen Heavy-Metal-Band. Was wiederum die Frage aufwerfen mag, warum man den Hervorbringungen einer Gruppe von Radaubrüdern an dieser Stelle überhaupt derart viel Platz und Aufmerksamkeit widmet.

Die Könige ihres Genres

Versuchen wir es mit einer Antwort. Zum einen mit dem Hinweis, dass diese Sorte Musik ohnehin längst und in verblüffendem Maße auch im gutbürgerlichen Teil der Bevölkerung angekommen ist. Fakt sind daneben die weit über einhundert Millionen verkaufter Alben, die unzähligen Riesentourneen rund um den Globus in den vergangenen dreißig Jahren und die bisher neun Grammys, mit denen Metallica ausgezeichnet wurde. Und es zählt auch der Umstand, dass es in allen Spielarten der Unterhaltungsmusik keine einzige Band gibt, die so eindeutig als unumstößliche Regentin ihres Genres gilt wie Metallica.

Alle Welterfolge aus vielen frühen Jahren aufzuzählen wäre müßig, doch weil selbst Könige nicht unfehlbar sind, gilt es auch dies festzuhalten: Auf das Album „Load“ folgten als Spiegelbild „Unload“, ein eher matter Abguss, ferner „Garage Inc.“, das blasse Recycling der so frühen wie großartigen „Garage Days“-EP, und schließlich das erschütternd simple „St. Anger“ sowie „Death Magnetic“, die tontechnisch schlechteste Einspielung, für die der Meisterproduzent Rick Rubin jemals verantwortlich zeichnete.

Es gab auch eine Menge Experimente: Bemerkenswerte wie die Verpflichtung Marianne Faithfulls als Backgroundsängerin oder die Interpretation von Nick Caves „Loverman“. Hochnotpeinliche wie das Crossover-Livealbum mit Symphonieorchester. Irritierende wie das bisher letzte Album „Lulu“, das mit seinem, nun ja, Kunstanspruch das kommerziell einzig erfolglose Metallica-Werk war.

Bunte Künstlerriege

Genau zwanzig Jahre gingen so ins Land, ehe sich Metallica nun abermals Greg Fidelman schnappten, der schon für eine wahrlich bunte Künstlerriege (Neil Diamond, Adele, Johnny Cash, U2, Red Hot Chili Peppers) hinter den Mischpultreglern saß und jetzt auch als Produzent für die Metalband wirkt. Und wie! Ohne den Hauch eines Bollerns tuckert Lars Ulrichs Doublebassdrum vor sich hin, wie mit dem Skalpell zerteilt fügen sich James Hetfields und Kirk Hammetts Gitarrenriffs zu chirurgischer Maßarbeit zusammen, erdig setzt Rob Trujillos Bass die Akzente. Das Album ist ein Fest für Rockpuristen, ein Schulbuch für die reine Metallehre – schnörkellos im besten Sinne. Für die stilistische Varianz sorgen exakt gesetzte Breaks sowie höchst sonore Melodieführungen und Akkordfolgen, die bei aller gebotenen Härte dennoch beeindruckend filigran in Szene gesetzt werden.

Die neuen Songs bestätigen den Eindruck, den bereits die Vorabsingle „Hardwired“ erweckt hat. In den Stücken sind insbesondere Reminiszenzen an das eigene ältere Songmaterial unüberhörbar, man höre nach bei „Halo On Fire“, das sehr hübsch . . . genau: „Until It Sleeps“ zitiert und variiert. Zum Hit dürfte sich allerdings ausgerechnet das letzte Stück des Albums entwickeln, „Spit Out The Bone“. Auf sieben Minuten Länge führt die Band hier noch einmal die ganze Bandbreite ihres Genres vor – und wie virtuos sie diese komplette Klaviatur beherrscht.

Harte Musik, aber leichte Hand

Endlich ist Metallica nun wieder da angekommen, wo die Band vor 33 Jahren mit „Seek & Destroy“, „Master Of Puppets“ oder „For Whom The Bell Tolls“ angefangen hat und vor zwei Dekaden bei „Until It Sleeps“ aufgehört hat. Bei hart erarbeiteter Qualitätsmusik, die hart ist, aber nicht nach Arbeit klingt. Bei stilprägendem Metal, der auf Balladen ebenso wie auf das branchenübliche Satanistenbrimborium verzichtet. Überflüssig ist allein der sinnlose Marketinggag, das Album pompös als Doppel-CD zu veröffentlichen . Die zwölf Songs mit insgesamt 78 Minuten Spielzeit hätten, wenngleich gerade so eben, auch auf eine CD gepasst. Aber das fügt sich zum Promotionzinnober, der im Vorfeld der Veröffentlichung dieses Albums entfacht wurde .

Freunde kindgerechter Verbalisierungsformen und geruhsamer Nebenbeiberieselung sind hier natürlich falsch; man muss schon Lust auf 78 Minuten Ohrdurchpusten und zwölf knatternde Salven haben. Wer sich allerdings darauf einlassen mag, wird mit dem besten Metal-Doppelalbum seit dem auch schon wieder elf Jahre alten „Mezmerize“/„Hypnotize“ von System of a Down belohnt.