Mark Zuckerberg will Facebook wieder stärker zum Medium des Austauschs unter Freunden machen. Foto: dpa

Netzwerk-Gründer Mark Zuckerberg hat eine Reform von Facebook angestoßen. Er will weniger passiven Konsum von Nachrichten. Stattdessen sollen Beiträge häufiger auftauchen, die Chancen haben, viel geteilt und kommentiert zu werden.

Berlin - Das ging schnell. In zwei großen Posts hatte Mark Zuckerberg, der Facebook-Gründer, im Januar angekündigt, den Newsfeed des sozialen Netzwerks, dem weltweit zwei Milliarden und in Deutschland 30 Millionen Menschen verbunden sind, einschneidend umzustellen. Am Freitag dann machten dann vor allem Medienhäuser in aller Welt die Erfahrung, dass sie massive Schwierigkeiten hatten, ihre Inhalte zu teilen. Die Nachrichten erreichten nicht mehr die Timelines der Nutzer. Bei Facebook hieß es, man untersuche die Probleme „mit höchster Priorität“.

„Bedeutungsvolle soziale Interaktionen“

Die technischen Probleme haben offenbar genau mit der von Zuckerberg angekündigten Veränderung im Facebook-Algorithmus zu tun. „Höchste Priorität“ sollen künftig nämlich Nachrichten und Inhalte von Medien keineswegs mehr genießen. Kern aller Änderungen ist nämlich eine neue Gewichtung beim Ausspielen der Beiträge auf den Newsfeeds der Nutzer.

Besonders gefördert werden in Zukunft vor allem Posts, für die der Algorithmus viele Kommentare, Shares und Likes erwartet, die also für viel Austausch der Nutzer untereinander sorgt. Dagegen sollen Beiträge in ihrer Bedeutung zurückgestuft werden, die eher passiv konsumiert werden – also zum Beispiel Artikel von Zeitungen. Während Posts von Marken, Unternehmen und Medien weniger relevant werden, bekommen Beiträge eine höhere Wichtigkeit, die Nutzern „dabei helfen, bedeutungsvolle soziale Interaktionen zu haben“, wie es Zuckerberg ausdrückt. Im Klartext: Das geteilte Urlaubsfoto oder das Video vom letzten Grillabend haben eine bessere Chance ganz oben auf der Timeline zu erscheinen als das Nachrichtenvideo vom Bürgerkrieg in Syrien, erst recht, wenn erwartet wird, das es wenig kommentiert wird.

Damit verabschiedet sich Facebook von einer Entwicklung, die das Unternehmen selbst aktiv befördert hatte. Facebook hatte Verlagen die Möglichkeit gegeben, erhebliche Steigerung ihrer Reichweiten zu erzielen. Der Anteil der Nutzer von Zeitungs- oder Nachrichtenportalen, die über Facebook den Weg dorthin fanden, wurde immer bedeutender. Zuckerberg sieht nun offenbar die Grenze erreicht, wo das Netzwerk seinen ursprünglichen Charakter als Kommunikationsplattform verliert. Nun sollen also wieder mehr Beiträge von Freunden und Familie, statt von Unternehmen, aber auch politischen Parteien zu sehen sein.

Die Blasen der Sektierer könnten größer werden

Die Folgen dieser Umstellung können weitreichend sein. Manche Beobachter glauben, dass Facebook für Zuckerberg inzwischen einen zu politischen Charakter angenommen hat. Seit der vergangenen US-Wahl steht das Unternehmen in der öffentlichen Kritik. Nicht zuletzt deshalb, weil aus Russland Anzeigenplätze gekauft und darüber Propaganda und Fake-News verbreitet worden waren. Ob die neue Strategie tatsächlich zu einer Entpolitisierung führen wird, ist sehr umstritten. Wenn der Austausch innerhalb des eigenen Freundeskreis nun zum wichtigsten Kriterien für das Ausspielen von Posts auf dem Newsfeed der Nutzer wird, könnte das eher die Tendenz verstärken, dass sich die Blasen der Verschwörungstheoretiker und Sektierer vergrößern, die sich über Kommentare und Likes gerne gegenseitig in ihrer Weltsicht bestärken. Dagegen dürften es seriöse Information schwerer haben, noch durchzudringen.

Zuckerberg argumentiert mit dem Wohlergehen der Nutzer

Zuckerberg argumentiert zur Begründung des Kurswechsel ausdrücklich mit dem Wohlergehen der Nutzer, das steigt, wenn das Netzwerk aktiv als Kommunikationsmedium genutzt wird. Nicht jeder nimmt ihm die altruistische Gesinnung ohne weiteres ab. „Wer mit Bekannten und Freunden über Facebook Bilder oder Meinungen austauscht, hält sich eben länger dort auf, als derjenige, der nur schnell einen Artikel liest. Und lange Verweildauer ist besser für Facebook“, sagt Markus Beckedahl, dessen Plattform „Netzpolitik“ sich für Bürgerrechte im Internet einsetzt. Tatsächlich weist Facebook die Verlage auf die Möglichkeit hin, Anzeigenplätze zu kaufen. Die werden vermutlich teurer, da der Platz in der Timeline kleiner wird.

Medienpolitisch sind die Auswirkungen erheblich. Viele Verlage haben in der Vergangenheit massiv auf die Karte Facebook gesetzt. Dennoch ist man beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) noch recht gelassen. Bei vielen Presseunternehmen finde derzeit ein Umdenken statt, heißt es dort. „Die Maximierung der Reichweite steht weniger im Vordergrund, vielfach zielt die Digitalstrategie inzwischen primär auf eine starke Leserbindung“, heißt es dort. Dazu zähle auch „die Rückbesinnung auf die jeweils eigene Website“.

Politik sieht Regulierungsbedarf

Noch hat die neue Facebook-Strategie die Politik nicht wirklich erreicht. Obwohl auch es Parteien künftig seltener auf die Timeline der User schaffen werden. Dennoch werden mit der Umstellung sehr grundsätzliche Fragen aufgeworfen. Markus Beckedahl fasst sie so zusammen. „Wollen wir wirklich akzeptieren, dass ein privates Unternehmen eine Infrastruktur für unsere digitale Basis-Kommunikation vollkommen dominiert?“ Im Moment jedenfalls könnte Facebook machen, was es wolle.

Tatsächlich wird das auch in der deutschen Politik immer kritischer gesehen. So weist Thomas Jarzombek, der medienpolitische Sprecher Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, darauf hin, „dass eine meinungsbeherrschende Plattform immer gesetzlich verpflichtet werden müsse, Vielfalt zu garantieren“. So seien die Privatsender verpflichtet Drittsendezeiten anzubieten. Beckedahl weist im selben Zusammenhang darauf hin, Kabel-TV-Anbieter verpflichtet seien, die öffentlich-rechtlichen Angebote durchzuleiten.

Aber nicht überall wird mit Skepsis auf die Marktmacht von Facebook gesehen. Manuel Höferlin (FDP), der Vorsitzende der Internet-Landesverbandes der Liberalen, begrüßt es sogar ausdrücklich, wenn bei Facebook „die direkte Kommunikation wieder in den Mittelpunkt rücken soll“. In den Entscheidungen zum eigenen Geschäftsmodell sei „Facebook so frei wie jedes andere Unternehmen“.