Vor 90 Jahren zeigte das Modemagazin „Vogue“ Coco Chanels Ur-Entwurf des Kleinen Schwarzen. Foto: StZ

Das kleine Schwarze ist Klassiker, Ikone und Designer-Spielwiese zugleich. Was Coco Chanel erfunden und Audrey Hepburn berühmt gemacht hat, ist nach 90 Jahren in der Zukunft angekommen. Auch Sarah Jessica Parker hat nun ihr eigenes Little Black Dress kreiert.

Paris - In dem Moment als Liz Hurley 1994 zum Star wird, trägt sie – na, was wohl – ein kleines Schwarzes. Aber nicht irgendeines. Bei der Filmpremiere von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ löst die Schauspielerin in dem berühmten Sicherheitsnadel-Kleid von Versace Staunen und Raunen aus. Nicht nur Liz Hurley gehörte fortan zu den Promis, auch das Kleid wurde zur Ikone der Modegeschichte des 20. Jahrhunderts. An diesem Beispiel lässt sich sehr schön ablesen, welche Metamorphosen das kleine Schwarze in seiner 90-jährigen Geschichte durchgemacht hat. Hatte die Erfinderin des Klassikers Coco Chanel zunächst im Sinn, ein Kleid zu kreieren, das sie „morgens zum Einkaufen, mittags zum Tee und abends ins Theater“ tragen könne, haben sich in den Jahrzehnten danach etliche Designer daran abgearbeitet, ihre eigene Version des „LBD“, wie das „Little Black Dress“ auf Englisch abgekürzt wird, zu entwerfen.

 

„Eine Uniform für Frauen mit Geschmack“

Die gewagte Version von Gianni Versace war vom Original ziemlich weit entfernt. „Dieses Kleid war ein absolutes Meisterwerk, der Schnitt, die Linien, die Kombination aus Nacktheit und Couture“, schwärmt die italienische Modejournalistin Giusi Ferré in einer TV-Dokumentation anlässlich des 90. Geburtstags des kleinen Schwarzen. Es kommt vermutlich der Funktion, die die Modezeitschrift „Vogue“ 1926 für Coco Chanels Ur-Version – ein schlichter, knielanger Entwurf aus Crepe de Chine – vorgesehen hatte, am wenigsten nah. Das kleine Schwarze sollte „eine Uniform für Frauen mit Geschmack“ werden, prophezeite das Magazin damals. Und sollte recht behalten. Es überstand die Wirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg, gab sich mal glamourös, mal betont schlicht. In den 50er Jahren war es bereits ein Klassiker. „Man kann es zu jeder Tages- und Nachtzeit tragen, in jedem Alter und zu jedem Anlass. Jede Frau sollte eines haben“, befand der Modeschöpfer Christian Dior 1954.

Endgültigen Kultstatus erreichte das kleine Schwarze durch Audrey Hepburn in ihrer Rolle als Holly Golightly in „Frühstück bei Tiffany“ (1961). „Audrey Hepburn hat uns ein für alle Mal beigebracht, wie man das kleine Schwarze trägt, nicht mit übertriebenem roten Schal, sondern mit simplen Perlen“, stellt die Modejournalistin Ellen Melinkoff in ihrem Buch „What we wore. An Offbeat Social History of womens clothing 1950 to 1980“ fest. Hubert de Givenchy hatte ihr das Kleid extra für den Film auf den Leib geschneidert und Hepburn setzte es auf bezaubernde Art und Weise in Szene. „Sie ist vielleicht die einzige Schauspielerin mit der Präsenz eines Fotomodels gewesen. Sie trug ihre Kleider wie ein Mannequin“, sagte der britische Modezeichner David Downtown in einem TV-Interview.

Spielraum für Kreativität

Das kleine Schwarze gilt bis heute als Meisterprüfung jedes Modedesigners, weil es den größtmöglichen kreativen Spielraum lässt. Gleichzeitig ist es die schwierigste Aufgabe, weil es schon so oft in allen möglichen Varianten kreiert wurde: eng, weit, kurz, lang, hochgeschlossen, ausgeschnitten, mit Nieten, Schlitzen oder Volants, aus Seide, Viskose Taft oder Jersey. Nur eines bleibt immer gleich: die Farbe Schwarz. „Als Modezeichner erlaubt einem Schwarz, alles zu tun, was man möchte“, sagt David Downton. Wie ein simpler schwarzer Strich aus dem man alles und nichts machen kann.

Diesen Spielraum so kreativ wie möglich zu nutzen, hat sich zum Beispiel die niederländische Designerin Iris van Herpen auf die Fahnen geschrieben. Bei der Pariser Fashion Week vergangene Woche hat sie futuristische Versionen präsentiert, die ohne einen einzigen Nadelstich auskommen. Die 32-Jährige entwirft ihre Kleidungsstücke mithilfe von Computer und 3-D-Drucker. Eine Polymerschicht wird auf die andere gedruckt, das Objekt wächst Stück für Stück vertikal nach oben. Zu den Kundinnen der ungewöhnlichen Designerin zählen Exzentrikerinnen wie Björk oder Lady Gaga. Ihre kleinen Schwarzen hat man so noch nicht gesehen, es sind einzigartige Avantgarde-Entwürfe aus Metallseide, Polyamidpulver oder gesmoktem Leder. Auch die Sex-and-the-City-Darstellerin Sarah Jessica Parker ergänzt ihre Produktpalette nun um ein – vermutlich etwas konventionelleres – kleines Schwarzes. Das Modell ist ab sofort bei der US-Kaufhauskette Bloomingdale zu haben, weitere Modelle sollen folgen. Nach 90 bewegten Jahren ist das kleine Schwarze in der Zukunft angekommen.