Bei dem Unwetter liefen auch viele Straßenunterführungen voll. Foto: Lichtgut/Rettig

Der Juni hat sich meteorologisch extrem präsentiert – vor allem in der Siebenschläferzeit. Es war ein Wetter mit lauter Extremen.

Stuttgart - Das Wetter, die Älteren erinnern sich, lief im Städtle eigentlich oft einfach nebenher. Mal regnete es ein wenig, mal schien die Sonne, mal war es schön warm, mal ein bisschen kalt – und recht war es allen sowieso nie.

An der allgemeinen Wetter-Krittelei hat sich nichts geändert, aber so etwas wie normales Wetter ist in den vergangenen Jahren deutlich weniger geworden. Normal war gestern, jetzt ist extrem angesagt – wegen des Klimawandels, sagen viele Experten. Manche können dem atmosphärischen Toben aber durchaus etwas Positives abgewinnen, weil man ja bekanntlich mit nichts einfacher ein Gespräch beginnen und pflegen kann, als mit dem Wetter. Und das bietet Gesprächsstoff genug: Hagelschlag, Starkregen, Sturmböen, abgelöst von extremer Dürre und Hitzerekorden, dann plötzlich wieder starke Fröste im Mai – darüber lässt sich mittlerweile nicht nur alle Schaltjahre reden.

Ein komplexes Gewitterkomplex

Auch der Juni 2021 präsentierte sich extrem – vor allem wegen der Unwetter vorige Woche am 28. und 29. Juni. Die Gewitter entluden sich derart heftig über der Stadt, weil ein „auf der Vorderseite eines vom Boden bis in große Höhen reichenden intensiven Tiefs über der Biskaya sehr feuchte und warme Luftmassen zu uns geführt wurden“, erklärt Andreas Pfaffenzeller. Der Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ergänzt: „In dem Gewitterkomplex befand sich ein intensives Hebungsgebiet, in dem die sehr feuchte subtropische Luft schnell aufsteigt und kondensiert, was große Regenmengen und Hagel erzeugt.“

Zwei von den Superzellen brachen über Stuttgart herein wie Wasserfälle, garniert mit schweren Sturmböen bis zu 90 Stundenkilometern. Am 28. Juni wurden knapp 60 Liter Wasser in 24 Stunden gemessen, das sind sechs Liter mehr als zum Beispiel im gesamten Juni vor einem Jahr. An der DWD-Messstation Schnarrenberg stürzten an diesem Abend binnen einer einzigen Stunde 42 Liter in die Messgläser. Diese Menge in der kurzen Zeit löste in Verbindung mit den Böen schwere Verheerungen aus. Tags darauf prasselten noch einmal knapp 35 Liter Regen aus einem bedrohlichen schwarzem Himmel. Zum Vergleich: Der gesamte April brachte es in diesem Jahr auf 30 Liter. Die Bilanz: Im Juni fielen knapp 156 Liter Regen auf Stuttgart. Das ist mehr als doppelt so viel als der Mittelwert für diesen Monat in der neuen Referenzperiode von 1991 bis 2020 mit knapp 75 Liter. Und es blieb nicht bei der Nässe.

Ein äußerst warmer Juni

„Mit einer Mitteltemperatur von 20,3 Grad war der Juni um 2,2 Grad zu warm und schafft es damit auf Platz vier seit Aufzeichnungsbeginn“, berichtet Pfaffenzeller vom Wetterdienst. Der Monat war also auch deutlich zu warm, besonders wenn man den bis Ende 2020 gültigen Referenzwert aus der Periode 1961 bis 1990 nimmt. Da notierte ein durchschnittlicher Juni nämlich nur mit 16,4 Grad, also rund vier Grad kühler als jetzt. Heiß war es mit 33,4 Grad am 18. Juni. Insgesamt gab es 18 Sommertage über 25 Grad und vier heiße Tage mit mehr als 30 Grad – alles Werte weit über dem Durchschnitt eines normalen Junis. Und auch die Sonne war auf Kurs weg von normal. 266,1 Sonnenstunden sind knapp 118 Prozent verglichen mit dem langjährigen Mittel. Das heißt – der Juni lag in allen Messwerten über dem Schnitt, bei Sonne und Niederschlag sogar sehr deutlich. Viel Sonne bedeutet in der Regel wenig Regen. Dass die beiden aktuellen Werte so hoch waren, lag auch daran, weil es nachts viel geregnet hat.

Der Sommer startete allzu recht extrem. Und jetzt? Es gibt ja die Siebenschläferregel, die immerhin in gut zwei Drittel der Fälle auch stimmt. Der Regel nach wird das Sommerwetter sieben Wochen so sein wie im Zeitraum zwischen dem Siebenschläfertag (27. Juni) und Anfang Juli. Sollte es so kommen, erlebt Stuttgart einen Schaukelsommer. Kurze trockene, sonnige und durchaus heiße Phasen, die dann von Schauerwetter abgelöst werden, bei dem auch wieder sehr heftige Gewitter mit Sturm und Hagel dabei sein können. Ein stabiles Sommerhoch mit Sonne und Hitze ist aktuell jedenfalls nicht in Sicht. Passionierte Rasenmäher wird es freuen, Biergarten-Fans eher nicht. Stimmt die Wetterregel, werden die Schauer nämlich wieder so heftig, dass man sie nicht mal kurz auf der Bierbank unterm Schirm durchziehen lassen kann.