Der Abriss des Tanz- und Festsaals der Wilhelmshöhe stand kurz bevor. Jetzt bekommt der Schuppen ein zweites Leben. Foto: Horst Rudel

Der Tanz-und Festsaal der Geislinger Gaststätte Wilhelmshöhe zieht ins Freilichtmuseum nach Beuren um. Der Kreistag hat dem 1,6 Millionen-Euro-Projekt jetzt seinen Segen gegeben.

Esslingen - Im neuen Erlebnis- und Genusszentrum für alte Sorten, das in zwei Jahren im Freilichtmuseum Beuren eröffnen wird, soll „überzeugen durch Geschmack angesagt“ angesagt sein. So hat der Sprecher der SPD-Fraktion im Esslinger Kreistag, Walter Bauer, den Anspruch des Leuchtturm-Projekts formuliert, das sich den Erhalt der ökologischen Vielfalt auf Acker und Obstwiese auf die Fahne geschrieben hat. So richtig schmackhaft gemacht hat die Kreisverwaltung den Einstieg in das kulinarische Abenteuer allerdings erst durch die Aussicht auf üppige Zuschüsse. Mit Erfolg: der Kreistag hat angebissen und dem aufgetischten Menü einmütig seinen Segen erteilt.

Rund 1,63 Millionen Euro wird es kosten, den 1893 errichteten Tanzschuppen des Gasthauses Wilhelmshöhe aus Geislingen (Kreis Göppingen) in das gut 40 Kilometer entfernte Museumsdorf unterm Hohenneuffen zu verpflanzen und ihn mit einer Schauküche und einer behindertengerechten Toilettenanlage zu versehen. Den Schuppen selbst, den der neue Eigentümer sonst abgerissen hätte, erhält der Landkreis zum Nulltarif. Weil das Land zum Umzug einen Zuschuss von rund 845 000 Euro spendiert und der Förderverein des Freilichtmuseums seine angesparten 200 000 Euro drauflegt, bleiben an der Kreiskasse lediglich rund 600 000 Euro hängen. „Noch nie hat der Landkreis ein Museumsprojekt zu so guten Bedingungen durchgeführt“, freut sich der Esslinger Landrat, Heinz Eininger.

Ehmann-Stiftung bezuschusst den Betrieb

Nachdem die Köngener Ehmann-Stiftung mit der Zusage, in den ersten fünf Jahren jeweils 40 000 Euro für den laufenden Betrieb zuzuschießen, auch die Befürchtung ausgeräumt hat, dass letztlich doch der Landkreis über die Folgekosten die Suppe wird auslöffeln müssen, war der Weg frei. Noch in diesem Jahr wird der Tanz- und Festsaal in Geislingen abgebaut. Diese Frist hatte der Eigentümer gesetzt, der sonst ein Abrissunternehmen mit der Beseitigung des Gebäudes beauftragt hätte. In seine Einzelteile zerlegt, wird der vom Zahn der Zeit reichlich gezeichnete Schuppen aufbereitet und restauriert. In der sich an die Saison 2018 anschließenden Winterpause soll dann mit dem Wiederaufbau im Museumsdorf begonnen werden – auf halben Weg zwischen den beiden Siedlungen Neckarland-Dorf und Alb-Dorf. Im August 2019 sollen die Besucher dann in den Genuss des Genusszentrums kommen.

Dass es ein Genuss wird, darin waren sich die Fraktionssprecher im Esslinger Kreistag mit dem Landrat einig. Der verspricht sich von der im ehemaligen Tanzsaal möglichen Dauerpräsentation, von der Verkostung der in der Schauküche zubereiteten regionalen Spezialitäten und von der Dauerausstellung alter Getreide-, Gemüse-, und Obstsorten auch ein Signal für den Tourismus und die Naherholung. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für unser Museum“, sagte Heinz Eininger.

Fernsehköche als Vision

Der Grünen-Kreisrätin Gabriele Probst ist bei der Vorstellung des Genusszentrums schon das Wasser im Mund zusammengelaufen. Nicht nur, dass mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt auf Acker und Wiese dem Artenverlust entgegengewirkt wird – das Zentrum könnte auch unter dem Motto „Fernsehköche kochen in Beuren“ den Bekanntheitsgrad des Museums unter Genussfreunden befördern.

Nicht nur der Gaumen, sondern auch die Wissenschaft soll von der Arbeit im Zentrum profitieren. Auf dass nicht noch einmal ein Lapsus passiere wie bei den lange als verschollen gegoltenen Alblinsen. „Die sind in der Genbank in St. Petersburg wiederentdeckt worden. Das wäre eigentlich unser Job gewesen“, erinnerte Martin Klein (Freie Wähler). Einen Job, den der Linken-Sprecher Peter Rauscher weit über den kulinarischen Horizont hinaus erfüllt wissen wollte. „Die Wiederbelegung alter Sorten muss ein Anliegen der Landwirtschaft im Biosphärengebiet sein. Da geht es schließlich um den Erhalt des lebendigen Erbes unserer Vorfahren“, sagte er.

Im Jahr 1965 haben zum letzten Mal die Korken geknallt

Das Gasthaus Wilhelmshöhe in Geislingen hat der damals 34 Jahre alte Bierbrauer Georg Hafner im Jahr 1911 bauen lassen. Bereits 1892 war dort nach dem Vorbild der berühmten Ulmer „Frühlingsau“ ein Gartensaal mit 120 Quadratmetern errichtet worden. Der Tanz- und Festschuppen hatte einen großen Anteil an der Beliebtheit der Gaststätte. Im Jahr 1965 wurde zum letzten Silvesterball im Festsaal geladen.