Steht der CSU-Politiker Manfred Weber künftig an der Spitze der Kommission? Hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf. Foto: AFP

Manfred Weber will Kommissionschef werden. Ob das gelingt, sollte sich im Parlament entscheiden, fordert Brüssel-Korrespondent Markus Grabitz.

Brüssel - Der Ausgang der Europawahl sendet politisch ermutigende Signale. So unterschiedlich die Ergebnisse von Mitgliedsland zu Mitgliedsland sind, so sehr das Stimmverhalten auch von der nationalen Politik und dem Bedürfnis geprägt sein mag, den Regierenden daheim eine Botschaft mitzugeben – ein Phänomen ist EU-weit nicht zu leugnen: Die Wähler haben die große Bedeutung des Europaparlaments erkannt. Das zeigt sich an der sensationell gestiegenen Wahlbeteiligung. Immer mehr Menschen wissen also, dass jenes Parlament, dessen Debattenkultur sperrig ist und das in so vielen Sprachen zu ihnen spricht, am laufenden Band Entscheidungen fällt, die für unser Leben wichtig, ja zuweilen lebenswichtig sind; ein Parlament, das dafür sorgt, dass es in der EU mehr Freiheit gibt als bei Putins und Erdogans und dass in der EU Verbraucherrechte größer geschrieben werden als etwa in Trumps Amerika.

Ein Deutscher an der Spitze?

Die Ergebnisse für Europaverächter vom Schlage eines Matteo Salvini in Italien oder einer Marine Le Pen in Frankreich sind erschreckend. In Westdeutschland, den Niederlanden und anderswo aber haben die rechten Parteien schlechter abgeschnitten als befürchtet. Das zeigt: Präsenz an der Wahlurne ist ein wirksames Instrument gegen Rechtspopulisten.

Nicht so ein Renner war – zumindest in Deutschland – die Sache mit den Spitzenkandidaten der europäischen Parteienfamilien. Die Tatsache, dass ein Deutscher zum ersten Mal in 50 Jahren für das höchste Amt antritt, das es in Europa zu besetzen gilt, hat jedenfalls nicht dazu geführt, dass die Union mehr Stimmen bekommen hätte. Eher im Gegenteil. Denkbar ist, dass der nette Herr Weber einfach noch zu unbekannt in Deutschland war. Vielleicht ist es den deutschen Wählern aber gar nicht mehr so wichtig, dass in Brüssel die nationale Karte bei der Besetzung von Spitzenjobs gespielt wird?

Die Wähler stärken das Parlament

Die Staats- und Regierungschefs sollten sich jedenfalls hüten, voreilige Schlüsse daraus zu ziehen, dass der Spitzenkandidat vermeintlich keine Strahlkraft entwickelt hat. Merkel und Macron würden dem Vorwurf, die EU habe ein Demokratiedefizit, Vorschub leisten, wenn sie wie früher im Hinterzimmer ausmachen wollten, wer aus dem Kreise der Chefs für fünf Jahre an die Spitze der EU-Kommission gelangt. Es steht vielmehr dem Europaparlament gut an, wenn sich Bewerber für dieses attraktive Amt vorher dazu bekennen und bei den Europawahlen um ein Mandat bemühen.

Der politisch Interessierte wird gerade Zeuge eines packenden Machtkampfes auf EU-Ebene. Im Jahr 2014 erschien es noch keck, als das Parlament aus einer Passage des Lissaboner Vertrages den Anspruch ableitete, den Kommissionspräsidenten zu benennen. Jetzt geht es darum, diese Mitsprache in der Verfassungspraxis zu verankern. Dabei kann das Parlament darauf verweisen, das Votum der Wähler im Rücken zu haben. Ein besseres Argument als, dass es demokratisch zugeht, kann es gar nicht geben.