Der Jazzkeller bot den Autoren, hier Ulrich Stolte, Redakteur unserer Zeitung, eine konzentrierte Leseatmosphäre. Foto: Michael Steinert

Rund 3500 Besucher, 36 Lesungen und zufriedene Besucher. Mit dem Literaturfest am Wochenende ging das Festival Lesart zu Ende. Am Samstag lasen die Autoren Pia Rosenberger, Ulrich Stolte und Sibylle Knauss im Esslinger Jazzkeller aus ihren Texten.

Esslingen - S

ie sind zu Ende: Die vergangenen dreieinhalb Wochen stand Esslingen im Zeichen der Literatur. 33 Autorinnen und Autoren waren in 36 Veranstaltungen bei der 24. Lesart zu Gast. „Wir hatten ein paar richtig schöne Abende und Kinderveranstaltungen“, bilanziert die Leiterin der Stadtbücherei Gudrun Fuchs. Es seien insgesamt rund 3500 Besucher gekommen. Allerdings war die Platzzahl bei vielen Terminen durch die bewusst gewählten, aber kleinen Veranstaltungsorte, wie dem Kutschersaal oder eben dem Jazzkeller, begrenzt.

Die Eintrittskarten waren heiß begehrt

„Wir hätten bei vielen Veranstaltungen doppelt so viele Karten verkaufen können“, sagt Renate Luxemburger, die für die Programmleitung und die Organisation verantwortlich war. „Die Eintrittskarten waren heiß begehrt“, bestätigt auch Alexander Maier, Redakteur der „Eßlinger Zeitung“, der gemeinsam mit Gudrun Fuchs am Samstagabend im Jazzkeller moderierte.

Zu den Höhepunkten der diesjährigen Lesart zählen die Veranstalter insbesondere die Eröffnung mit der Theodor-Haecker-Preisträgerin Leyla Yunus und ihrem Mann Arif Yunus im Schickhardt-Saal des Alten Rathauses. Darüber hinaus sei die Lesung mir Bodo Kirchhoff ein großartiges Erlebnis gewesen. Und auch der Klangraum Lyrik in der Villa Merkel sei beim Publikum gut angekommen, sagt Fuchs.

Das durchkomponierte Programm, das unterschiedliche Literaturgeschmäcker berücksichtigt, bietet auch immer wieder Neues und Ungewöhnliches. Dass das Esslinger Publikum offen für Experimente sei, habe sich auch bei Verlagen und Autoren herumgesprochen, berichtet Gudrun Fuchs. Am Abend im Jazzkeller waren es allerdings weniger die Autoren als vielmehr die beiden Musiker Patrick Bebelaar (Piano) und Matthew Bookert (Tuba), die mit ihren ungewöhnlichen Einlagen die Experimentierfreude der Besucher testeten.

Pia Rosenberger schreibt Krimis, historische Romane und Zeitungsartikel

Denn Sibylle Knauss, Pia Rosenberger und Ulrich Stolte gehören weniger in die Kategorie Experiment, vielmehr zählen sie schon lange zum literarischen Establishment der Stadt. Pia Rosenberger lebt und arbeitet in Esslingen. Als Charlotte Kern schreibt sie Kriminalromane, und als Petra Weber-Obrock veröffentlicht sie Zeitungsartikel. In ihrem Buch „Die Prinzessin der Kelche“ befasst sich die Autorin mit der Hexenverfolgung während der Neuzeit in Esslingen. Die junge Leontine sucht im Zwiespalt zwischen ihrer Sehergabe und ihrer adeligen Herkunft ihre Bestimmung.

In dem mittelalterlichen Gewölbe des Jazzkellers las Rosenberger eine Szene, in der es um einen Besuch in einem gruseligen Haus im Wald geht, wo mystische Zauberzeichen an die Wand gemalt sind und geheimnisvolle Kräutersäfte gebraut werden. In einem weiteren Kapitel schildert sie, wie Leontine den Maientanz erlebt, ein heidnisches Ritual, das bei ihr Angst und Faszination zugleich hervorruft.

Ulrich Stolte, der auch Redakteur unserer Zeitung ist, las einen Abschnitt aus „Die Armee und die Ameisen“. Die Geschichte spielt in Spanien während der Zeit des Bürgerkrieges. Allerdings sei es keine historische Geschichte, betonte Stolte. Der Bürgerkrieg sei nur der Hintergrund für die Handlung, die er auf seinem Pilgerweg nach Santiago de Compostela entwickelt habe. In dem Abschnitt beschreibt der Autor, wie Soldaten des Franco-Regimes in einem Dorf in den Bergen nach Anhängern der Demokraten suchen. Die Erwachsenen des Dorfes sind bereits geflohen. Nur die Kinder und ein alter Mann sind noch dort. Den Soldaten wurde erzählt, dass das Dorf in Angst vor mörderischen Ameisenmassen lebe.

„Die Liebe währt bis zum Tod“

Keine Gewalt, sondern Liebe ist es, was die Schriftstellerin Sibylle Knauss in ihrem Buch „Das Liebesgedächtnis“ beschreibt. Sibylle Knauss ist ehemalige Professorin für Drehbuch an der Ludwigsburger Filmhochschule und zählt laut der Tageszeitung „taz“ zu den „großen unterschätzten Autorinnen im deutschen Sprachraum“. In Esslingen werde sie nicht unterschätzt, betonte die Moderatorin Gudrun Fuchs. In ihrem Roman „Das Liebesgedächtnis“ erzählt sie die Geschichte einer Altersliebe im Schatten einer Demenz. Dabei beschreibt sie auch eine Sexszenen zweier greiser Körper. „In meiner Geschichte währt die Liebe bis zum Tod. Glücklicher kann eine Liebesgeschichte nicht ausgehen“, sasgt Knauss.

Im Gespräch mit dem Moderator Alexander Maier verriet der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger (SPD), dass auch er literarische Ambitionen hege: Er würde seine Erfahrungen aus der Kommunalpolitik gerne in einem Buch verarbeiten. „Ich mache das“, gab sich Zieger am Abschlussabend im Jazzkeller überzeugt. Maiers Frage, ob er mit dem Buch denn zur kommenden, der 25. Lesart fertig sein werde und für eine Lesung bereitstünde, wollte er dann aber doch nicht beantworten.