Jonas Hector vor seinem entscheidenden Elfmeter gegen Italiens Torwart Gianluigi Buffon. Foto: imago/Sebastian Wells/imago sportfotodienst

Sieg oder Niederlage – darüber entscheidet im Fußball mitunter das Elfmeterschießen. Erfunden hat den Krimi ein gelernter Friseur, der für seine damals neumodische Idee einiges aufs Spiel setzte.

Berlin - Ob im Elfmeter-Krimi bei der WM 1982 gegen Frankreich, in der Nervenschlacht bei der Heim-WM 2006 gegen Argentinien oder zuletzt bei der Euro 2016 gegen Italien – die deutsche Fußball-Nationalmannschaft entschied die Dramen vom Punkt oft für sich. Vor allem einer verfolgte die Penalty-Krimis mit Stolz und Genugtuung: ihr Erfinder Karl Wald aus dem oberbayerischen Penzberg.

2011 starb der frühere Amateur-Schiedsrichter im Alter von 95 Jahren, doch seine Erfindung reicht weit über seinen Tod hinaus. Denn Wald entwickelte in den 1960er-Jahren das Elfmeterschießen und revolutionierte so das Fußball-Spiel.

Neue Regel begeisterte die Zuschauer

Zuvor wurden Spiele nach der Verlängerung jahrzehntelang per Los oder Münzwurf entschieden. „Das ist sportlicher Betrug, das ist glatter Blödsinn“, sagte der 1916 in Frankfurt am Main geborene und gelernte Friseur Karl Wald einmal. Und so ließ er das von ihm erdachte Format mit je fünf Elfmeterschützen pro Team in Bayern in den 1960er Jahren testen - heimlich bei Freundschaftsspielen.

„Das war für ihn schon ein Ritt auf der Kanonenkugel, nicht ganz ungefährlich“, erinnert sich Karl Walds Enkel Thorsten Schacht heute. Sein Großvater habe „ganz schön Muffensausen“ gehabt, dass ihn irgendjemand vom DFB bei seinen heimlichen Tests erwischen könnte. „Schließlich wäre seine Schiedsrichter-Lizenz wohl weg gewesen“, meint Schacht.

Doch bei den Zuschauern stieß die neue Regel auf Begeisterung. „Die Leute wollen den Ball im Netz sehen“, sagte Karl Wald. Die Fans hätten sich in den 16-Meter-Raum gedrängt und hätten mitgefiebert, gejubelt mit den Siegern, gelitten mit den Verlieren, erinnert sich auch Schacht aus Erzählungen seines Großvaters.

EM 1976 war erster Wettbewerb, der durch ein Elfmeter-Krimi entschieden wurde

Zunächst musste Wald, der 1936 seine Referee-Lizenz erworben und selbst in der Oberliga-Süd gepfiffen hat, jedoch gegen heftigen Widerstand kämpfen. Die Führung des Bayerischen Fußball-Verbandes wollte seinen Vorschlag beim Verbandstag 1970 blockieren. „Meine Kameraden, ich bitte Sie, geben Sie dem Antrag grünes Licht, nach dem Motto, der Erfolg rechtfertigt alles, vielen Dank“, rief er den Delegierten damals zu. Als sich die Mehrheit schließlich pro Elfmeterschießen aussprach, war der Durchbruch am 30. Mai 1970 geschafft.

Wenig später übernahmen der Deutsche Fußball-Bund (DFB), bald auch der Europa- (UEFA) und der Weltverband FIFA die Neuheit - und die Fußball-Dramen nahmen ihren Lauf. Als erstes großes Turnier wurde die EM 1976 durch einen Elfmeter-Krimi entschieden. Uli Hoeneß schoss in den Nachthimmel von Belgrad, die CSSR wurde dank Antonín Panenka Europameister. Danach aber wurde die deutsche Auswahl eine regelrechte Macht in der Entscheidung vom Punkt: Im WM-Halbfinale 1990 und EM-Halbfinale 1996 jeweils gegen England oder dem Viertelfinale bei der Heim-WM 2006 gegen Argentinien feierte die DFB-Elf große Siege.

Karl Wald wird in seinem Wohnort geehrt

Der FC Bayern erlitt eine seiner schlimmsten Niederlagen im Champions-League-Finale 2012 „dahoam“ gegen Chelsea, und auch 2016 wurde der Sieger der europäischen Königsklasse vom Punkt ermittelt: Real Madrid schlug den Stadtrivalen Atlético. Im selben Jahr gewannen die Bayern im DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund ebenfalls im Elfmeterschießen.

Karl Wald selbst soll „seine“ Elfmeterkrimis recht ruhig und gelassen vor dem Bildschirm verfolgt haben. Dennoch überkam den Initiator der Regel immer wieder eine angenehme Genugtuung. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich Recht hatte“, sagte Wald einmal. Für ihn sei es eine Bestätigung gewesen, dass sein damals vorgeschlagene Regel-Novum noch heute gleichermaßen angewandt wird.

In seinem Wohnort Penzberg hat man ihm dafür eine besondere Ehre zu Teil werden lassen: Seit 2014 heißt die Straße hin zum Stadion „Karl-Wald-Straße“. Das Museum in der Kleinstadt widmet seinem berühmten Bürger bis Oktober eine Sonderausstellung.