Beerdigungen dürfen derzeit nur im kleinsten Familienkreis und nur im Freien stattfinden. Foto: factum/Simon Granville

Das Land verbietet öffentliche Veranstaltungen und Zusammenkünfte. Gilt das auch für Beerdigungen? Bis Freitagmittag musste das jede Kommune für sich entscheiden. Dann kommt eine neue Maßgabe vom Kultusministerium.

Ludwigsburg - Der Ludwigsburger Ordnungsbürgermeister Michael Ilk muss in diesen Tagen der Corona-Krise oft Sätze sagen, von denen er nie gedacht hätte, dass er sie einmal sagen muss. Dieser hier ist einer davon: „Im Zweifelsfall müssen wir Leute am Friedhof abweisen.“ Es geht um die Frage, wie man in Zeiten des Coronavirus mit dem Sterben, genauer mit Beerdigungen umgeht. Die Verordnung des Landes Baden-Württemberg vom 17. März blieb da unkonkret. Zwar werden „Zusammenkünfte von Glaubensgemeinschaften“ untersagt, ebenso „sonstige Versammlungen und Veranstaltungen“ – aber von Beerdigungen ist nirgendwo die Rede. Lege man die Verordnung sehr eng aus, dürfte es gar keine Trauerfeiern mehr geben, sagt Ilk. Aber das sei sicher nicht die Absicht der Landesregierung gewesen, ist sich Ilk sicher. Für die Stadt ist klar: „Wir wollen Trauerfeiern zulassen“. Aus seiner Sicht wäre es „unwürdig“, sich in einer solchen emotionalen Ausnahmesituation, die der Tod eines Angehörigen ja ist, auf das Versammlungsverbot zu berufen.

Allerdings sollen Beerdigungenin Ludwigsburg unter sehr strengen Auflagen stattfinden: Die Trauerfeier soll im kleinsten Familienkreis sein, maximal zehn Trauergäste. Anders als andere Kommunen, die die Beerdigungen nur noch im Freien gestatten, wie Bietigheim-Bissingen, ist in Ludwigsburg die Aussegnungshalle noch nutzbar – wenn sich die Angehörigen weit darin verteilen. So auch im Hemmingen: Die Stühle in der Aussegnungshalle haben einen Abstand von 1,5 Metern. „Für die Hinterbliebenen sind das einschneidende Maßnahmen“, sagt Ilk. Aber das müsse nun eben sein. Es geschehe ja auch zum Schutz der Menschen. Häufig seien ältere Menschen auf Beerdigungen – „und gerade die sind ja besonders gefährdet“.

Konfusion bei den Kommunen

Unsicherheit bei den Kommunen: Da es bis Freitagmittag keine konkreten Angaben des Landes gab, musste jede Kommune selbst die Regeln für Beerdigungen festlegen: Remseck beschränkt die maximale Teilnehmerzahl auf 20 Personen. Trauerfeiern gibt es nur noch im Freien. Eine offene Aufbahrung ist dadurch per se nicht mehr erlaubt. Genauso macht es Korntal-Münchingen, Gerlingen und Ditzingen im Strohgäu sowie die Stadt Remseck. Bislang setzen die Kommunen darauf, dass die Bürger Einsicht zeigen. „Wir können kaum während einer Trauerfeier einzelne Personen wegschicken oder nach dem Windhundprinzip verfahren“, sagt Sarah Falk, persönliche Referentin des Bürgermeisters in Korntal-Münchingen.

Freitagnachmittag erreicht die Kommunen dann eine Nachricht des Kultusministeriums, das die Landesverordnung präzisiert: Trauergottesdienste sind untersagt. „Erd- und Urnenbestattungen sowie Totengebete jeweils unter freiem Himmel sind möglich“, heißt es da. Und „es gilt grundsätzlich eine Obergrenze von zehn Personen.“

Urnenbestattung geht auch später

Wer einen Angehörigen doch im größeren Kreise verabschieden möchte, habe eine Möglichkeit, sagt Ilk: eine Urnenbestattung. Die Urne könne eine Weile beim Bestatter gelagert werden, die Trauerfeier dann nachgeholt werden, wenn sich die Lage wieder entspannt habe.

Auch bei den Todesanzeigen – für die ja die Angehörigen selbst verantwortlich sind – setzt Ilk wie die meisten seiner Amtskollegen im Kreis auf Aufklärung und Verständnis: Man solle hinzufügen, dass die Beerdigung nur im engsten Familienkreise stattfinde. Korntal-Münchingen geht einen anderen Weg: Von nun an verzichte man in Aushängen und gemeindlichen Veröffentlichungen auf die Nennung des Beerdigungstermins.

Jetzt abonnieren: Newsletter mit aktuellen Meldungen zum Coronavirus

Auch die Bestatter wissen nicht, wie sie in der Krise handeln sollen. „Uns erreichen jeden Tag neue Informationen“, sagt eine Bestatterin aus Ludwigsburg. Ihr Institut habe alle Vorsorgegespräche abgesagt, um den Publikumsverkehr zu reduzieren. Kommunikation mit Standes- und Friedhofsamt laufe auch nur noch über den Briefkasten.

Bestatter brauchen jetzt besonderen Schutz

Seit Mittwochabend gehörten auch Bestatter in Baden-Württemberg zu den systemrelevanten Berufen. „Bei uns gibt es kein Home Office“, sagt Frank Friedrichson, der Landesinnungsmeister des Bestattungsgewerbes. Bestatter müssten sich bei ihrer Arbeit seit jeher mit Anzug, Maske und Handschuhen schützen, „jetzt müssen wir eben noch aufpassen, dass wir die richtige Maske tragen“. Denn man wisse ja nicht, ob der Tote mit dem Virus infiziert sei oder nicht. Die Institute seien mit Atemschutzmasken, Schutzanzügen und Handschuhen ausgerüstet, „aber auch bei uns gibt es Engpässe“, sagt er. Insgesamt sei die Bestatterinnung im Land mit einem Notfallteam aber „gut vorbereitet auf Krisenfälle“, sagt Friedrichson.

Beim Sozialministerium des Landes verweist man auf die Kurzfristigkeit, in der die Verordnung erlassen wurde. Man arbeite mit Hochdruck daran, den Kommunen Antworten auf alle Fragen zu liefern, die unbeantwortet geblieben sind.

Trauergespräche am Telefon

Auch die Pfarrer im Kreis sind verunsichert. Ihr letztes Trauergespräch hat sie nicht im Büro, sondern auf der Terrasse geführt, „aber nur, weil dort nicht viel Öffentlichkeit war“, sagt eine Pfarrerin aus Ludwigsburg. Alternativ könne man das auch am Telefon machen, aber das sei schwierig: „Man braucht ja auch Vertrauen, um Dinge anzusprechen. Das ist am Telefon nicht leicht.“

Anderswo haben Angehörige bereits mehr Klarheit: In Krankenhäusern und Pflegeheimen gilt mittlerweile ein Besuchsverbot, das nur in Ausnahmefällen gelockert wird. „In der Sterbephase ermöglichen wir natürlich einen Besuch“ sagt Stefan Ebert, einer der Geschäftsführer der Kleeblatt-Pflegeheime. Aber auch hier gelte: so wenige Besucher wie möglich. Es sei aber schwierig, hier mithilfe einer Zahl oder dem Verwandtschaftsgrad eine allgemeine Grenze zu ziehen: „Das vereinbaren wir alles individuell vorab am Telefon.“ Denn ohne Anmeldung komme derzeit niemand rein.

Am Freitagabend war zudem bis Redaktionsschluss unklar, ob das von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Nachmittag verkündete Versammlungsverbot auch auf Beerdigungen angewendet wird.