Breakdance in Lederhosen: Die Weltmeister DDC auf der Bühne des Dinkelacker-Zelts Foto: dpa/Lichtgut, Max Kovalenko

Rechtzeitig zum Volksfest kehrt der Sommer zurück. Bei prächtigem Wetter hat am Freitag das 172. Cannstatter Volksfest begonnen. OB Fritz Kuhn hat im Dinkelacker-Zelt das erste Fass angestochen. Er brauchte vier Schläge.

Stuttgart - Bei der Toleranz macht den Schwaben niemand etwas vor. Man stelle sich vor, ein Preuße, ein Preiß, würde das Münchner Oktoberfest eröffnen. Unvorstellbar. In Stuttgart ist man da weiter. Da darf ein in Franken geborener und in Bayern aufgewachsener Schultes das Cannstatter Volksfest eröffnen. Der darüber hinaus ein Fan des FC Bayern ist. Offenbar wird dies von höheren Mächten gerne gesehen: Während es in München die Eröffnung vor einer Woche total verregnet hatte, kehrte in Stuttgart zum Auftakt des Volksfestes der Sommer zurück.

Ein Mann, ein Satz

Während die früheren Oberbürgermeister gerne Witze erzählten, mal lustig (Rommel), mal weniger lustig (Schuster) lässt Fritz Kuhn die Anekdoten lieber gleich weg. Er gibt den Clint Eastwood vom Wasen. Ein Mann, ein Satz. Er bekundet Moderatorin Sonja Faber-Schrecklein, dass er lieber nicht Achterbahn mit ihr fahren möchte. Genug der Konversation. Lieber lässt er Taten sprechen. „Nimm Schultes nun den Schlegel in die Hand“, sagt der Mann von der Brauerei. Kuhn packt zu. Wie man ihn anfeuern könne, will Faber-Schrecklein von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wissen, vielleicht solle man Kuhns Spitznamen rufen. „Spitznamen“, sinniert Kretschmann, „woiß au net, am eheschten Fritzle!“ Ist das nun noch Parteifreund oder schon Parteifeind? Kuhn überhört es und schlägt ganz schnell zu. Eins! Zwei! Drei! Vier! Das 172. Cannstatter Volksfest ist eröffnet.

Sehen Sie im Video, wie Fritz Kuhn das erste Fass auf dem diesjährigen Volksfest ansticht:

Das hat übrigens Methode. Kuhn. „Zwei Schläge, die es braucht, einen Sicherheitsschlag und einen Schlag obendrauf für Sie, Frau Faber-Schrecklein.“ Die Moderatorin zählt dann lieber „zweidreiviertel“, weil der Münchner OB nur zwei Schläge gebraucht hat. Kein Probleme, der Schwabe kann gönnen. So lange bei uns die Sonne scheint und nicht im Osten.

Der Philosoph des Bierzelts

In München allerdings, da darf man sich sicher sein, muss jeder beim Oktoberfest antreten, der irgendein Amt bekleiden möchte. In Bad Cannstatt war das seit jeher anders, der Schwabe zeigt ungern öffentlich, dass er sich dem Müßiggang hingibt. Selbst in Zeiten des Wahlkampfs ist das nicht anders. Die beiden Platzhirsche der CDU waren da, Stefan Kaufmann und Karin Maag, die meisten Herausforderer ließen sich nicht blicken. Pflichttermin ist die Eröffnung aber für Kretschmann. Anders als seine Vorgänger kommt er stets. Auch wenn er wie am Freitag direkt von der Plenarsitzung des Bundesrats aus Berlin einfliegen muss. Und er bewies wieder einmal, der Philosoph reüssiert auch im Bierzelt: „Wichtig ist nicht, wann das Fass offen ist, wichtig ist, was drin ist.“ Darauf ein dreifaches: die Krüge hoch!

Lindner als Starschnitt

Je tiefer man ins Glas schaut, desto näher rückt die Erkenntnis. So hat man es auf dem Wasen seit jeher gehalten. Bier gab es allerdings erst, als Fritz Kuhn das erste Fass angestochen hatte. So musste man ohne bewußtseinserweiternde Substanzen grübeln, ob Kretschmann mit der Wahl seines Hemdes Tieferes im Sinn hatte. Es changierte violett, man konnte raten, mischt sich da nun Grün mit Rot, oder doch eher mit Schwarz. Kabarettist Christoph Sonntag beschäftigte sich denn auch mit der politischen Farbenlehre, streift die „Wahl der Qual“ und freut sich auf Christian Lindner als Bravo-Starschnitt. Und natürlich beschäftigt er sich, wie könnte es anders sein, mit den Nachbarn. Einen Flüchtling habe er aufgenommen, schwer zu integrieren, mit der hiesigen Lebensart kaum vertraut: Einen Bayern. Sonntag: „Der Schwabe ist dem Bayern in jeder Hinsicht klar überlegen. Anders als Seehofer hat er einen Ministerpräsidenten mit klarer Meinung: Im Zweifel stets das Gegenteil seiner Partei.“ Und beim Oktoberfest sei man umgeben von Kriminellen: „Da gehst Du aus dem Zelt und triffst Uli Hoeneß!“

Die Lederhose rockt

Noch einen? Also gut. Was sei der Beweis, dass Bier weibliche Hormone enthalte? Sonntag: „Nach fünf Bier kann mann nicht mehr rückwärts einparken.“ Die Damen lächelten milde. Wurden Sie doch angemessen entschädigt. Die fünf Jungs von DDC tobten über die Bühne – am Ende mit blanker Brust. Die Breakdancer waren zweimal Weltmeister, vertraten Deutschland beim internationalen Zirkustreffen und zeigten, was auch passieren kann, wenn die Moderne die Lederhose überstreift. Kein seichter Schlager mit Rockzitaten, sondern eine furiose Tanznummer. Holzhackerbuam treffen Beats. Übrigens, die Jungs kommen aus Schweinfurt. Aus Franken.

Trau, schau, wem

Auch beim Volksfestumzug an diesem Sonntag um 11 Uhr in Bad Cannstatt sind die Bayern dabei. So kommt Andreas Maurus aus Obergünzburg mit einer zehnspännigen Kutsche. Unter den 3500 Teilnehmern sind auch zehn Hochzeitszüge. Aus dem Nordschwarzwald, aus Siebenbürgen, aus Betzingen, aus Slowenien. Und nein, keiner aus Bayern. So weit geht die Liebe dann doch nicht.