Um ein Treffen mit dem Lieblingslehrer dreht sich die Novelle "Wiedersehen" von dem Tübinger Autor Joachim Zelter. Foto: Yvonne Beradi

Der Tübinger Autor Joachim Zelter erzählt in seiner Novelle „Wiedersehen“ davon, wie ein Mann nach Jahrzehnten seinen Lieblingslehrer wieder trifft.

Stuttgart/Tübingen - Eines Tages ist seine Stimme auf dem Anrufbeantworter, jene des Lieblingslehrers von einst. Jahrzehnte sind vergangen, Arnold hat akademische Karriere gemacht. Und nun macht er sich auf den Weg, seinen alten Helden zu besuchen: Thorsten Korthausen heißt er, eine Abendgesellschaft soll es geben. Arnold reist mit Freundin Anna, erhofft sich ein schönes Wiedersehen – er wird enttäuscht, grausam, aber auch komisch, da Joachim Zelter dieses Buch geschrieben hat.

Zelter war selbst Lehrer, bevor er zum Schriftsteller wurde, er unterrichtete in Tübingen und Yale. Das scheint ihn geprägt zu haben: Immer wieder kehrt er in seinen Büchern zurück zu den Absurditäten des Klassenzimmers, treibt sie mit seiner Wortakrobatik auf die Spitze. Acht Romane hat Zelter seit 1998 veröffentlicht, mehrere Bände mit Erzählungen.

Sein neues Buch heißt „Wiedersehen“ und tritt auf als Novelle: Es geht um die Wiederbegegnung mit der Schulzeit und also um den Verlust all der nostalgischen Illusionen. Denn Korthausen, der Lehrer, ist nach Jahrzehnten nicht weniger exzentrisch als einst: Arnold findet sich wieder in einem Zoo der seltsamen Pädagogen, er kommt in ernste Bedrängnis, hat seine Vokabeln vergessen, weiß die Grammatik nicht mehr. Schüler, die Nietzsche heißen, schleichen umher, werfen mit Anagrammen um sich. Es gibt erbsenzählende Strukturalisten, Thomas-Mann-Verehrer und militante Lateiner, ein Wettbewerb flammt auf – und vielleicht, argwöhnt der Geschlagene zuletzt, könnte all dies bald auch schon ins Fernsehen kommen. Feuerzangenbowle, ungemütlich.

Zelter schreibt knappe, wohlklingende Sätze, bei denen der Wahnwitz zwischen den Buchstaben lauert. Zu seinem jüngsten Buch könnten ihn die Rechtschreibreform inspiriert haben, die Internetplattformen, auf denen Schüler ihre Lehrer bewerten, der allgegenwärtige Wettbewerb, das Ranking, das Getue. Einen Lehrer, der einen heimsuchen könnte, gibt es in der Vergangenheit fast jedes Menschen. Arnolds entsetzte Wiederbegegnung mit diesem Gespenst wirkt am besten, wenn sie vom Autor gelesen wird: Joachim Zelter ist, das weiß man lange schon, ein Vortragskünstler.

Joachim Zelter liest an diesem Mittwoch um 20 Uhr im Café Lesbar in der Stadtbibliothek Stuttgart aus „Wiedersehen“.