Der König dankt ab: Phil Taylor beendet seine Karriere Foto: EPA

Er hat diesen Sport über Jahrzehnte geprägt. Er hat Darts auf ein neues Level gebracht und ist mit dem Werfen von Pfeilen zum Multimillionär geworden. An diesem Donnerstag hat seine Abschiedstournee begonnen. Zum Rücktritt von Phil Taylor.

Stuttgart - Den Abgesang gibt es schon länger. Die britische Rockband Coldplay hat ihn bereits 2008 geschrieben, diesen Ohrwurm „Viva la Vida“, der so gut passt zu der Geschichte, die dem größten Sportler der Darthistorie in jenen Jahren widerfahren ist und dessen Lied-Text heute aktueller ist denn je. Der Song ist das Requiem auf einen König, der die Welt das Fürchten gelehrt hat, der die Angst in den Augen seiner Widersacher sehen konnte, wie Chris Martin von Coldplay singt. Nie ist Phil Taylors Gefühlslage besser beschrieben worden, diese Götterdämmerung des 16-maligen Dart-Weltmeisters, als mit der simplen Textzeile „I used to rule the World“. Es klingt wie der Soundtrack zum Abgang. „Das ist mein Song“, sagte Phil Taylor schon damals: „Ich war es gewohnt, die Welt zu beherrschen.“

Nun ist das Jahr 2017, und jener König, der damals bereits totgesagt wurde, sich aber eindrucksvoll zurück kämpfte und Darts-Weltmeister 2009, 2010 und 2013 wurde, tritt wirklich ab. Weil die Darts-Welt ihm nicht mehr Untertan ist. Nach der nächsten WM, die im Dezember beginnt, ist engültig Schluss, so hat er es angekündigt. Erreicht der 56-Jährige dort das Finale, ist der 2. Januar 2018 der letzte Arbeitstag in der Karriere des Königs des „Golfs der Arbeiterklasse“. Phil Taylor ist auf Abschiedstournee, an diesem Donnerstag hat sie begonnen mit der Auftakt der Premier-League-Saison in Newcastle.

„Ich kann es nun mehr genießen, ich bin richtig begeistert und habe Schmetterlinge im Bauch, während ich das zuvor nicht verspürte. Vielleicht tut mir genau das gut“, sagte er. Taylor war schon länger nicht mehr unumstritten. „The Power“ spielte natürlich noch immer auf einem hohen Niveau, aber Niederlagen häuften sich. Zuletzt schied er bei der WM im Viertelfinale aus, bei der Weltmeisterschaft im Jahr zuvor war sogar schon im Achtelfinale Schluss. Sein Nimbus war verschwunden. Jahrelang hatten Gegner Angst gegen ihn zu spielen. Er hatte die Aura des Unschlagbaren, und Kontrahenten zeigten oftmals auf der großen Bühne gegen ihn nicht das, was sie eigentlich spielen konnten. Zuletzt flößte er natürlich noch immer Respekt, aber keine Furcht mehr ein. Es kam eins zum anderen, die Doppel machten Probleme, die Sehkraft, die Pfeile, und alles zusammen führte zu schmerzhaften Pleiten. Und: wenn der Brite etwas hasst, dann Niederlagen – im Gefühl des Sieges knuddelt er alle um sich herum auf der Bühne, inklusive Gegner. Pleiten goutiert er dagegen auch im hohen Alter noch im John-McEnrore-Stil. Angefressen. Wütend.

Vielleicht war es ja genau dieser Hass auf Niederlagen, der ihn zu dem gemacht hat, was er ist. Dem Besten aller Zeiten. Wie er es immer wollte – das Beste oder Nichts.

Taylor hat Darts auf ein neues Niveau gehoben

Phil Taylor ist 16-facher Weltmeister. Allein von 1995 bis 2006 gewann er elf von zwölf Titeln. Die Professional Darts Corporation (PDC) wurde scherzhaft auch schon als „Phil-Dart-Club“ bezeichnet. Taylor war in seinen besten Zeiten derart dominant, dass es manchem zu viel war. So, wie aktuell schon die Dominanz des neuen Regenten Michael van Gerwen teils beklagt wird. Es mag Leute geben, die gelangweilt waren von dem „Mozart der Pfeile“, aber die Mehrheit ist es bis heute nicht. Taylor hat den Sport mit seinen Erfolgen nicht sediert, sondern belebt. Als Figur ist er größer als der Sport und ein unersetzlicher Werbeträger. „Phil ist für uns das, was Tiger Woods für Golf ist“, sagte Barry Hearn, der mächtige Promoter des Dartsverbandes PDC. Taylor hat damals die PDC 1992 mitgegründet und war der Wegbereiteter dieser mirakulösen Wandlung des Darts. Jahrzehntelang hatte Darts das Image eines versifften Kneipensports, heute ist es ein karnevaleskes Event, das in Großbritannien die größten Hallen spielend füllt.

Phil Taylor war immer auch ein Getriebener. Darts war seine Obsession, er hat trainiert wie ein Besessener. Er war ein Profi durch und durch, sogar mit einer Ernährungsberaterin hat der Kumpel von Popstar Robbie Williams, der wie Taylor aus Stoke-on-Trent kommt, zusammengarbeitet, Alkohol mied er. Phil Taylor ist für Darts das, was Michael Jordan für Basketball oder Wayne Gretzky für Eishockey sind: Er hat diesen Sport auf ein neues Niveau gehoben.

Nun geht es also zu Ende: „Ich freue mich auf die nächsten zehn Monate. Es fällt mir schwerer als in den letzten 30 Jahren, mich zu motivieren und beständig zu Üben“, sagte Taylor, der in seiner Karriere allein an Preisgeldern mehr als zehn Millionen Pfund verdient hat. „Ich habe 30 Jahre an der Spitze gestanden. Michael van Gerwen wird nun diese Rolle übernehmen und der neue Botschafter des Darts sein.“