Ein namhaftes Ensemble darf sich entfalten: Karoline Eichhorn als Polizistin in „Dark“ Foto: Netflix

Es geht doch: Nach „Babylon Berlin“ beweist auch die Netflix-Serie „Dark“, dass in Deutschland auf internationalem Niveau produziert werden kann.

Stuttgart - Im Schatten eines Kernkraftwerks liegt die fiktive Kleinstadt Winden, die von mysteriösen Vorkommnissen heimgesucht wird: Kinder verschwinden, und immer spielt dabei eine Höhle im Wald eine Rolle, deren Öffnung diabolisch lockt wie das Maul einer fleischfressenden Pflanze. Der Regisseur Baran bo Odar und die Drehbuchautorin Jantje Friese sind 2014 mit dem Hacker-Thriller „Who am I“ international aufgefallen, nun haben sie für den Streaming-Dienst Netflix dessen erste deutsche Serie realisiert – mit allem, was die Filmgestaltung hergibt.

Ein namhaftes Ensemble entfaltet sich in einem zunächst unübersichtlichen, abgründigen Beziehungsgeflecht des Jahres 2019. Allein, was Karoline Eichhorn als Polizistin an Nuancen zeigt, ist sehenswert. Überhaupt lebt „Dark“ von der Liebe zum Detail. Musik und Klänge sind sorgsam auf Emotionsfrequenzen hin orchestriert, clever spielt die Serie das knifflige Thema Zeitreisen. Im Jahr 1986 wirkt Tschernobyl nach, laufen Raider-Werbung und „Shout“ von Tears For Fears – und ein verwirbelter Junge sagt, als könne er es selbst nicht glauben: „Ich komme aus der Zukunft.“

„Dark“ zapft gezielt deutsche Gedankenwelten an

Nur in kurzen Momenten schwächelt „Dark“, verrutschen Dialoge und Spiel, etwa bei einer Versammlung in der Schule, bei der es viel zu persönlich wird, oder wenn Figuren herumschreien und ins Chargieren geraten. Insgesamt aber ist „Dark“ ein weiterer Beweis nach „Babylon Berlin“, dass in Deutschland auf internationalem Niveau produziert werden kann. Eine Verwandtschaft zur US-Mystery-Serie „Stranger Things“ besteht zwar, selbige aber wird bestimmt von der hemdsärmeligen Aufbruchsstimmung der Neuen Welt, während „Dark“ erfüllt ist von der schwermütigen Reflektiertheit der Alten Welt und gezielt deutsche Gedankenwelten und Ängste anzapft.

Die Amerikaner verfolgen das neue deutsche Fernsehwunder aufmerksam, die „New York Times“ hat „Dark“ jüngst einen großen Beitrag gewidmet. Auch die deutschen Sender, noch immer allzu oft auf kleinste gemeinsame Nenner geeicht, werden das Phänomen nicht ignorieren können.

Von diesem Freitag an auf Netflix