Das historische Wasserrad am Kesselwasen macht jetzt Elektroautos mobil. Foto: Max Kovalenko

Am Rossneckar Esslingen ist erste Elektrotankstelle mit Versorgung über Wasserrad in Betrieb gegangen.

Esslingen - Nostalgie trifft Technologie: Am Esslinger Rossneckar ist jetzt die erste Elektrotankstelle Deutschlands in Betrieb gegangen, die über ein rund 100 Jahre altes historisches Wasserrad mit Strom versorgt wird.

Bernd Spielmann (49) und Robert Merlau (48) sind Idealisten. Der Diplom-Ingenieur und der Zimmermeister haben sich 2003 entschieden, zwei der völlig maroden historischen Wasserräder an den Esslinger Kanälen zu pachten, zu restaurieren und wieder in Betrieb zu nehmen. Das ist den beiden gelungen: Das größere Rad an der Kanalstraße – 130 Jahre alt, sechs Meter im Durchmesser und 2,30 Meter breit – versorgt inzwischen das Jugendhotel Eco-Inn rechnerisch komplett mit Strom. Das entspricht laut Spielmann der Strommenge, die 48 Haushalte benötigen.

Durchmesser von 4,50 Meter

Rund die Hälfte dieser Energiemenge – also der Bedarf von 24 Haushalten – wird am Kesselwasen mit dem kleineren Wasserrad erzeugt, das knapp 100 Jahre alt ist und immerhin noch einen Durchmesser von 4,50 Metern hat. Dieser Strom wurde bisher komplett ins Netz eingespeist. Jetzt haben sich die beiden Pächter, die in Ingersheim und Bönnigheim im Kreis Ludwigsburg leben, entschieden, deutlicher darzustellen, wie regenerative Energien genutzt werden können.

Der mit dem Wasserrad über einen Generator erzeugte Strom kann an einer von der Stadt installierten Ladestation direkt gezapft werden. Und verdienen wollen Merlau und Spielmann, der Esslingen über seine Studienzeit kennt, vorerst nichts: Ohnehin haben sie den „hohen fünfstelligen Betrag“, den sie in die Sanierung der Räder gesteckt haben, bisher mit der Stromerzeugung noch nicht erwirtschaften können. „Uns ist es wichtiger, ein Zeichen zu setzen für bürgerschaftliches Engagement“, sagt Spielmann.

Betreiber der E-Tankstelle ist die Stadt. Sie hat am Rossmarkt die Zapfsäule installiert und zwei Parkplätze für Elektromobile ausgewiesen. Wer unbefugt dort parkt, erhält eine Verwarnung.

Nach sechs Stunden ist der Speicher komplett aufgeladen

Die Idee ist, dass die Fahrer von Elektroautos beispielsweise während eines Stadtbummels oder Kinobesuchs ihr Fahrzeug für zwei bis drei Stunden einstöpseln. „In den ersten ein bis zwei Stunden wird die Batterie besonders stark aufgeladen“, sagt der städtische Verkehrsplaner Ulrich Thäsler. Um den Speicher komplett aufzuladen, braucht es in der Regel um die sechs Stunden. Dies reiche dann für eine Fahrt von 130 bis 140 Kilometern, sagt Thäsler. Allerdings nur im Sommer: Im Winter reduziert sich bei Minusgraden und bei eingeschalteter Heizung die Reichweite auf 80 oder weniger Kilometer.

Wie viele Elektroautos es in Esslingen gibt, kann Thäsler nicht beantworten. Viele sind es noch nicht. Die Stadt selbst betreibt mit bisher drei Elektroautos und ein paar -rollern den größten Fuhrpark. Wer an der neuen Ladestation am Rossmarkt/Kesselwasen tanken will, muss lediglich die Parkgebühr von 1,40 Euro pro Stunde bezahlen.

Eine dritte Elektrotankstelle in Esslingen bietet Einkaufszentrum Das ES in Tiefgarage

Zum Glück haben sich die Hersteller inzwischen offenbar wenigstens auf einen genormten Stecker geeinigt. Bisher sei das nicht der Fall gewesen, weiß Ulrich Thäsler Das habe an einer weiteren Ladestation im Parkhaus am Pliensauturm prompt dazu geführt, dass ein Elektroauto nicht betankt werden konnte. Allerdings ist der eigens ausgewiesene Parkplatz auch ohne diese Probleme bisher meistens leer. Eine dritte Elektrotankstelle in Esslingen bietet schließlich das Einkaufszentrum Das ES in seiner Tiefgarage: Auch dort muss nur die Parkgebühr bezahlt werden, den Strom gibt’s dann kostenlos. Bernd Spielmann und Robert Merlau tüfteln derzeit zusammen mit der Hochschule Esslingen an einem Konzept für eine weitere Zapfsäule.

Möglicherweise werden sie auch beim Eco-Inn an der Kanalstraße noch eine Ladestation aufstellen und dann selbst betreiben. „Das hängt aber davon ab, wie sich die Kosten entwickeln.“ Zurzeit lägen die Anschaffungskosten für eine Elektro-Zapfsäule noch zwischen 4000 und 7000 Euro.

Zur Blütezeit der Wasserkraftnutzung um 1870 waren in Esslingen 24 Anlagen im Wasserbuch verzeichnet. Heute sind es am verzweigten Netz der Kanäle noch sechs Anlagen, die die noch immer bestehenden königlich-württembergischen Wasserrechte wahrnehmen. Der Mühlenstandort Kesselwasen wurde 1428 erstmals erwähnt, 1865 wurde die ehemalige städtische Sägemühle als Nähgarnfabrik mit zwei Wasserrädern errichtet.