Daniela Harsch radelt in ihr Büro im Tübinger Rathaus. Foto: Gottfried / Stoppel

Selbstbewusst und zupackend, das ist der Stil, mit dem sich Sozialbürgermeisterin Daniela Harsch in Tübingen Anerkennung verschaffen hat. Eine Kampfkandidatur gegen Boris Palmer ums Rathaus hat die SPD-Politikerin ausgeschlossen. Doch Tübingen ist sicherlich nicht ihre letzte Karrierestation.

Tübingen - Als Frau an der Spitze eines Rathauses zu arbeiten ist in Baden-Württemberg noch immer die Ausnahme von der Regel. Und so versucht es Daniela Harsch, seit gut drei Jahren Sozial- und Ordnungsbürgermeisterin in Tübingen, gelassen zu nehmen, wenn sie bei Terminen immer mal wieder als „Mädle“ angesprochen wird. „Die Männer, die so etwas sagen, denken es sei ok und meinen es meist gar nicht beleidigend“, urteilt die 39-Jährige wohlwollend und geht mit ihrer Weiblichkeit selbst in die Offensive.

Bei der Tübinger Feuerwehrkneipe, einem geselligen Männerabend, an dem ausnahmsweise so manches erlaubt ist, was sonst nicht politisch korrekt ist, stellte sie sich relativ neu im Amt in einer Rede mit folgenden Worten vor: „Ich bin unter 1,60 und blond. Nicht gerade das typische Exemplar einer Bürgermeisterin. Mein Leben ist ein sexistischer Witz.“

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Ultradirekt, nicht auf den Mund gefallen und zupackend, das ist der Stil der Bürgermeisterin, mit dem sie sich Respekt verschafft hat – und das nicht nur in Feuerwehrkreisen. „Anmaßende Sätze zu Aussehen und Kleidung im dienstlichen Kontext“ bekomme sie regelmäßig zu hören, sagt die promovierte Volkswirtin und postet es ungeniert auf Facebook, wenn sie mit der einen oder anderen frauenfeindlichen Entgleisung konfrontiert wurde.

Als Macherin hinter dem wohl bekanntesten Oberbürgermeister Deutschlands hat es Harsch nicht immer einfach. Sich neben Boris Palmer Platz zu verschaffen kann nur jemand mit genügend Durchsetzungskraft und einem eigenen Profil. Und so wurde sie unlängst von etlichen Seiten gebeten, doch bitte ebenfalls bei der Wahl ums Tübinger Rathaus im kommenden Herbst zu kandidieren. Sie hat durchaus geschmeichelt kurz darüber nachgedacht und dann abgelehnt. „Ich wollte nicht gegen den Amtsinhaber aus dem Rathaus antreten“, sagt die Bürgermeisterin, die sich über die Jahre einen guten Ruf in der Stadt erworben hat und das nicht nur als Corona-Krisenmanagerin.

Ein politisches Mandat wäre nur konsequent

Sich eines Tages woanders als Oberbürgermeisterin zu bewerben – es gibt nicht einmal zwei Handvoll Frauen im Südwesten – schließt Harsch nicht aus. Auch ein politisches Mandat, womöglich in Berlin, wäre nur konsequent. Es würde in ihren Lebenslauf passen. Als Stimmenkönigin kam sie in den Reutlinger Jugendgemeinderat, ging zu den Jusos und wurde mit 25 Jahren zur SPD-Vorsitzenden in Reutlingen gewählt.

Mehr als zehn Jahre lang, bis 2018 gehörte sie dem Landesvorstand der Sozialdemokraten an und ist auf allen Ebenen der Partei bestens verdrahtet. Momentan ziehe sie nichts und niemand von Tübingen weg, sagt die Frau, die sich in einer Whatsapp-Gruppe regelmäßig mit anderen roten Bürgermeisterinnen im Land austauscht und einst als Referentin im baden-württembergischen Finanzministerium die Stuttgarter Verwaltung- und die Machtstrukturen aus nächster Nähe kennengelernt hat. Familiär sei sie am Neckar verwurzelt, die Arbeit fülle sie aus, es sei schön ins Büro radeln zu können.

„Ohne die Quote wäre ich keine Bürgermeisterin geworden“, ist sich Harsch rückblickend sicher und weiß, dass sie dem Frauenticket so manches in ihrer Karriere zu verdanken hat. Die Quote sei nicht alles, so sagt sie, die schaffe Zugänge, „aber sie hilft einem nicht, im Amt zu überleben“.