Daniel Didavi ernährt sich seit Jahren vegan. Wir haben mit ihm über seine Beweggründe, alltägliche Hürden und die ethisch-moralische Komponente seiner Ernährungsumstellung gesprochen.
Stuttgart - Daniel Didavi ist einer von mittlerweile mehreren Profis des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart, die ihre Ernährungsgewohnheiten umgestellt haben und sich zumindest teilweise rein pflanzlich ernähren. Wir haben mit dem Spielmacher über seine Beweggründe für den Veganismus, missionarischen Eifer, sein Einkaufsverhalten und den berühmten „Klick-Moment“ gesprochen.
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Herr Didavi, Sie sind seit mehr als vier Jahren Veganer. Ein Auslöser für Ihre Ernährungsänderung waren die vielen Verletzungen und die damit verbundene Leidenszeit. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit zurück?
Ich bin jemand, der immer auch selbst nach Lösungen schaut. Unabhängig davon, was andere Leute zu mir sagen. Durch die vielen Diagnosen, die ständigen Schmerzen und die vielen Medikamente kam dann irgendwann ein Wendepunkt – und ich habe begonnen, mich viel in das Thema Ernährung einzulesen und mir selbst ein Bild zu machen. Es war ein Prozess, der ein, zwei Monate gedauert hat. Irgendwann kam dann der Moment, in dem mir klar wurde, dass da etwas dran sein muss. Ich sagte mir: „Komm, du hast nichts zu verlieren. Probiere es einfach aus.“ Ich habe es einen Monat durchgezogen und in dem Zeitraum gesundheitlich einen solchen Fortschritt gemacht, dass ich dann dabei geblieben bin. Da hat es endgültig klick gemacht.
Das Coronavirus grassiert, hält die Welt in Atem. Vegane Ernährung hat nachweislich einen positiven Einfluss auf das Immunsystem und kann so helfen, eine mögliche Erkrankung besser zu verkraften. Bestärkt Sie das, auf vegane Ernährung zu setzen?
Unabhängig von der Corona-Thematik betrachtet ist es ja auch so, dass eine Krankheit mit dem Immunsystem zusammenhängt. Gesunde, vegane Ernährung hilft für ein besseres Immunsystem und macht einen folglich nicht so anfällig für Krankheiten. Das war mich ein Hauptgrund, meine Ernährung umzustellen und mehr vegan zu leben.
Bei manchen Vegetariern und Veganern scheint ein gewisser missionarischer Eifer ausgeprägt bezüglich ihrer Mitmenschen. Wie halten Sie das?
Das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe mich 26 Jahre lang nicht vegan ernährt, habe viel Fleisch gegessen, es geradezu geliebt. Unabhängig vom ethischen Kontext habe ich auch nie infrage gestellt, dass das nicht gut sein könnte. Daher bin ich niemand, der anderen Leuten erzählen will, was wichtig und richtig ist. Das nervt mich andersrum ja genauso. Wenn sich aber jemand interessiert zeigt, dann rede ich gerne darüber und versuche aufzuzeigen, was es bringt. Aber das Missionarische, das Urteilen, damit erreicht man niemand. Das ist eher kontraproduktiv.
Wie wurde es innerhalb Ihres Familienkreises aufgenommen?
In meiner Familie wurde immer schon viel Fleisch gegessen. Am Anfang gab es daher einige Diskussionen. Mit der Zeit haben sie aber gesehen, was es mir bringt – und dann hat sich ganz automatisch bei ihnen auch etwas in der Ernährung geändert.
Seine Ernährung so drastisch zu ändern bringt sicher einiges an Umstellungen mit sich.
Natürlich. Ich ernähre mich viel ausgewogener, esse viel mehr Gemüsesorten und natürlich Hülsenfrüchte, um an Proteine zu kommen. Anfangs hatte ich schon Respekt davor, gerade hinsichtlich einem möglichen Nährstoffmangel. Aber das habe ich relativ schnell abgelegt. Wenn man sich ausgewogen vegan ernährt, hat man keinen Mangel außer dem an Vitamin B12. Dafür benötigt man ein Nahrungsergänzungsmittel.
Stehen Sie oft in der Küche?
Zu Beginn meiner Zeit als Veganer war ich ja noch in Wolfsburg. Damals gab es einfach kaum Möglichkeiten, die Anzahl an Restaurants war begrenzt. Ich war quasi gezwungen, mich in die Küche zu stellen. Mittlerweile ist Kochen eine Art Ausgleich und Hobby. Es macht Spaß, zu kochen und neue Dinge auszuprobieren.
Wie intensiv setzen Sie sich mit dem ganzen Thema auseinander?
Ich möchte mehr wissen, die Zusammenhänge verstehen. Ich hinterfrage Vorgänge, lese mich ein und schaue viele Filme und Dokumentationen darüber.
Richtet man da auch schon den Blick auf die Zeit nach der Karriere?
Ich mache das erst einmal nur für mich. Aber klar, ich bin jetzt 30 Jahre alt, und irgendwann ist es vorbei mit dem Fußball. Für die Zeit nach der Karriere kann ich mir vieles vorstellen, auch eine beratende Funktion im Ernährungsbereich für andere Profisportler. Aber konkret denke ich darüber noch nicht nach.
Der Fußball kann ein raues Pflaster sein, gerade in einer Kabine geht es schon mal recht hemdsärmelig zu. Mussten Sie sich Sprüche anhören?
Eigentlich nur am Anfang. Da gab es schon den einen oder anderen Spruch, den man schlucken musste. Doch mittlerweile ist das Thema so anerkannt, dass das jetzt keines mehr ist.
Sie sind mit der Mannschaft viel unterwegs – wie läuft die Verpflegung vor Ort ab?
Das ist teilweise schon noch schwer, das Angebot ist oft überschaubar. Dann muss man eben in den sauren Apfel beißen und es gibt Nudeln oder Reis mit Tomatensoße.
Das ganze Thema hat auch eine ethisch-moralische Komponente. Stichworte Tierversuche, Klimawandel, Massentierhaltung. Wie stehen Sie dazu?
Angefangen habe ich mit allem ja rein aus Eigennutz. Ich hatte Probleme und wollte eine Lösung finden. Ich habe gar nicht an Tiere, Tierhaltung oder Umwelt gedacht. Doch je mehr ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe, umso größer wurde mein Bewusstsein für diese Themen. Es geht jetzt noch nicht so weit, dass ich keine Lederschuhe mehr trage oder bei meiner Vespa den Sitz tausche, aber ich habe schon ein Auge darauf und versuche, Unnötiges zu vermeiden, wo ich kann.