Damon Albarn wagt einen Seitenblick Foto: dpa/Steve Gullick

Der britische Pop-Tausendsassa Damon Albarn hat ein neues Soloalbum aufgenommen, bei dem nur der Titel sperrig ist.

Stuttgart - Bandmusiker und ihre Soloprojekte: Das ist ja immer so eine Sache. Kann gut gehen, muss aber nicht. Besonders, wenn dabei die viel zitierten neuen künstlerischen Wege bestritten werden. Und selbst dann, wenn die Integrität, die Erfahrung und die Güteklasse der Musiker außer Frage stehen, ist das Projekt oftmals vor irgendwelchen Reaktionen zwischen Stirnrunzeln und Kopfschütteln nicht gefeit, man schlage nach bei Paul McCartneys Ballettmusik, Stings Ausflügen in die Barockklänge oder Roger Waters’ Oper „Ça Ira“.

Damon Albarn verfügt von den genannten Qualitäten im Übermaß. Mit seiner Band Blur ist er einer der Könige des Britpop, mit seiner Nebenband Gorillaz sowie der Allstartruppe The Good, the Bad and the Queen hat er in zwei weiteren Formationen sein außerordentliches Talent vielfach unter Beweis gestellt. Als Komponist zweier Musiktheaterstücke – „Monkey: Journey to the West“ und „Dr Dee: an english Opera“ – hat er seinen Mut zu Grenzgängen bereits bewiesen. Und ein Soloalbum, „Everyday Robots“, hat er auch schon mal veröffentlicht.

Es ist 2014 erschienen und war bis dato verblüffenderweise das einzige Soloalbum in der über dreißig Jahre währenden künstlerischen Karriere des 53-jährigen Briten. Da er sich bereits dort weit von dem ikonischen Britpop von Blur, den künstlerischen Alternative-Ambitionen seiner All-Star-Band sowie dem trickreich-verspielten Pop der Gorillaz entfernt hat, wurde es reichlich reserviert aufgenommen. Und das dürfte sich jetzt, beim an diesem Freitag erscheinenden zweiten Soloalbum mit dem Titel „The nearer the Fountain, more pure the Stream flows“ kaum ändern. Denn so ungriffig der Albumtitel ist, so schwer zu fassen sind seine Inhalte. Als Mitkomponisten hat sich Albarn zwei alte Spezis geladen. Zum einen André de Ridder, den künftigen Generalmusikdirektor der Freiburger Oper (!), zum anderen den Filmmusikspezialisten Michael Smith. Das lässt erahnen, wo die musikalische Reise hingeht, und eben so kommt es auch. Popmusik ist hier nur im weiten Begriffssinne zu hören, eher handelt es sich um eine Art Ambientalbum. Sphärisch wabern hier zarte Klänge, teil nur Töne, teils orchestrale Arrangements, mild schmiegt sich sporadisch Albarns Gesang über die elf Stücke.

Gedacht hatte sich der Künstler dies ganz anders, eigentlich wollte er nur ein einziges langes Werk in seiner Wahlheimat Island aufnehmen, stattdessen musste er coronabedingt in eine zum Tonstudio umfunktionierten Scheune in Devon ausweichen. Auf dem Weg dorthin müssen ihm die wirklich zündenden Ideen verloren gegangen sein, denn das Album ist erwartungsgemäß sorgfältig produziert und kann makellos durchgehört werden – zu keiner Sekunde merkt der Hörer jedoch auf, nirgendwo ist ein brillanter Einfall zu vernehmen, kein einziges Stück gibt es, das von einem immer gleichen Duktus abweichen würde. Fazit: Nice to have, ansonsten gilt, dass der Schuster dann am besten ist, wenn er bei seinem Leisten bleibt.

Damon Albarn: The nearer the Fountain, more pure the Stream flows.
Transgressive Records/Pias