Bei Daimler laufen langsam die Bänder wieder an. Die wirtschaftlichen Zahlen verschlechtern sich rapide. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die Daimler-Zahlen zeigen, wie hart die Krise selbst starke Unternehmen trifft. Bei der Entscheidung über eine Öffnung der Wirtschaft geht es nicht um Profite, sondern um Gesundheit – und um die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Landes, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart - Wer mitten in der Coronakrise nach Lichtblicken suchen will, findet sie manchmal ausgerechnet an den Börsen. Nachdem der Daimler-Konzern seine ersten Zahlen seit dem Ausbruch der Krise bekannt gegeben hatte, ging der Aktienkurs erst einmal nach oben. Daimler hatte zwar einen Gewinneinbruch um 78 Prozent zu verkünden, doch für die Börsianer war das eher eine positive Überraschung. Es hätte auch noch schlimmer kommen können.

Firmen leben aus der Substanz

Doch natürlich ist ein Zustand, in dem die Umsätze weit schneller wegbrechen als die Kosten, auch für einen Weltkonzern nur eine begrenzte Zeit durchzuhalten. Schon vor Corona befand sich das Unternehmen in einer krisenhaften Entwicklung, durch den Dieselskandal ebenso wie durch die enormen Investitionen, die für Entwicklung und Marktstart der E-Auto-Flotte notwendig, angesichts internationaler Handelskonflikte aber nur noch schwer zu erwirtschaften sind. Schon lange vor Corona flackerten im Cockpit von Konzernchef Ola Källenius viele rote Lämpchen auf.

Längst geht es nicht mehr um Gewinne, sondern vor allem um die Liquidität: Wie lange reicht das Polster aus, um die wegbrechenden Einnahmen auszugleichen? Doch aus der Substanz kann selbst das stärkste Unternehmen nicht auf Dauer leben.

Richtigerweise spart Daimler selbst in dieser Lage nicht an der Zukunft: Die Produktion der Batterien fürs E-Auto läuft unverändert weiter. Die Batterien für die E-Autos, die wegen Corona später gebaut werden, stehen schon bereit – ein geschickter Schachzug, der helfen kann, sich den scharfen EU-Zielen schneller zu nähern als ursprünglich erwartet. Auch der geplante Anlauf der neuen S-Klasse läuft planmäßig weiter. Das enthält das Signal, dass Daimler nicht an eine Dauer-Depression glaubt, sondern in eine bessere Zukunft investiert. Doch wann es soweit ist, darüber mag auch Daimler nicht einmal spekulieren.

Ein Teufelskreis könnte entstehen

Nach wie vor wird die Wirtschaft und mit ihr Kunden ebenso wie Zulieferer durch Kurzarbeit, Notkredite und Liquiditätshilfen am Laufen gehalten. Sie wird künstlich beatmet wie ein Patient auf der Intensivstation. Doch wer den Job verloren hat oder in Angst vor Arbeitslosigkeit lebt, hält das Geld zusammen, was selbst ein starkes Land in einen Teufelskreis aus Pleiten, Arbeitslosigkeit und schwindsüchtigen Staatsfinanzen bringen kann.

Bei der Frage, wann die Wirtschaft wieder geöffnet werden kann, geht es nicht um die Abwägung von Menschenleben gegen Gewinne von Konzernen. Es ist viel schwieriger: Zur Debatte steht die Frage, was von der starken deutschen Wirtschaft bleibt, wenn sie wieder vorsichtig auf die Beine gestellt wird. So besonnen Bund und Länder mit ihrer Verantwortung auch umgehen: Je länger die weitgehende Schließung andauert, desto intensiver müssen sie den Zeitpunkt suchen, zu dem die Gefahren für die wirtschaftliche Basis des Landes die gesundheitlichen Risiken überwiegen und eine Öffnung nötig ist.

Nötig ist eine Perspektive

Um diese Entscheidung ist niemand zu beneiden, zumal sich ihre Folgen erst im Nachhinein zeigen werden – wie auch immer sie ausfällt. Es wäre schon hilfreich, wenn die Politik nun doch Kriterien entwickeln würde, anhand derer sie ihre Entscheidung ausrichtet, schon um ein Licht am Ende des Tunnels zu entzünden. Denn die Gefahr einer sich beschleunigenden Entwicklung, die sich kaum noch kontrollieren lässt, besteht nicht nur bei der Verbreitung des Virus, sondern auch bei den Schäden für die wirtschaftliche Basis des Landes, von der Millionen existenziell abhängen.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de