VW baut seinen Transporter Craftee künftig in Polen. Deshalb will Daimler im Werk Ludwigsfelde, wo der Sprinter produziert wird, in zukunft Personalkosten einsparen. Der Daimler-Personalchef Wilfried Porth im Gespräch über Werkverträge und Einschnitte im Werk Ludwigsfelde.
VW baut seinen Transporter Craftee künftig in Polen. Deshalb will Daimler im Werk Ludwigsfelde, wo der Sprinter produziert wird, in zukunft Personalkosten einsparen. Der Daimler-Personalchef Wilfried Porth im Gespräch über Werkverträge und Einschnitte im Werk Ludwigsfelde.
Stuttgart - Herr Porth, Sie sind als Arbeitsdirektor für rund 275 000 Daimler-Mitarbeiter zuständig. Haben Sie noch Kontakt zu einfachen Beschäftigten, oder ist das nur eine abstrakte Zahl?
Gerade war ich im spanischen Vitoria, wo die neue V-Klasse produziert wird. Da rede ich natürlich am Band mit Meistern und Mitarbeitern. Außerdem schreiben mir Mitarbeiter oft E-Mails, wenn sie der Schuh drückt oder sie Lob loswerden wollen. Allerdings kann ich mich bei der großen Zahl an Mitarbeitern natürlich nicht um jeden einzelnen in gleichem Maße kümmern.
Bei Daimler läuft es gerade richtig gut. Merken Sie das an der Stimmung?
Erfolg ist für die Stimmung unschlagbar. Unsere Mitarbeiter wissen, dass unsere Fahrzeuge gut im Markt ankommen. Aber Erfolg bedeutet auch viel Arbeit. Wir sind in vielen Werken voll ausgelastet, fahren Sonderschichten auch in der Urlaubszeit. Wir stellen in diesem Jahr 7600 Ferienarbeiter ein, so viele wie lange nicht.
Gewisse Unruhe gab es, weil Sie Niederlassungen zusammenlegen und einzelne Standorte verkaufen wollen. Wie wirkt sich das auf die Mitarbeiter aus?
Wir wollen größere Einheiten, etwa Stuttgart, Reutlingen, Ulm und Ravensburg zur Vertriebsdirektion Württemberg zusammenfassen. Dabei nutzen wir Fluktuation oder Abfindungsangebote, wie in anderen Fällen auch.
Wie geht es dann weiter?
In einem zweiten Schritt sollen Investoren und andere Händlerbetriebe einzelne Standorte übernehmen. Wir betreiben zu viele Autohäuser selbst, deutlich mehr als unsere Wettbewerber. Ein freier Händler kann die Dinge anders angehen, als wenn er an unser System des „Own Retail“ gebunden ist. Wichtig ist, dass die Standorte nicht geschlossen werden.
Aber die Betriebsräte wollen sich wehren, weil sie Nachteile für die Mitarbeiter befürchten.
Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass der Betriebsrat für seine Mitarbeiter kämpft. Als Daimler sind wir aber dafür bekannt, dass wir solche Dinge immer zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst haben.
Im Sprinter-Werk Ludwigsfelde wollen Sie Personalkosten reduzieren. Die Beschäftigten sprechen von einer Horrorliste.
Da habe ich wenig Verständnis, dass dies so kritisch in die Öffentlichkeit gebracht wird. Keiner hat die Standorte Düsseldorf oder Ludwigsfelde je infrage gestellt. Es geht schlicht darum, wie wir uns künftig nach dem Wegfall der Auftragsproduktion des VW Crafter für die nächste Generation des Sprinter aufstellen. VW hat entschieden, nach Polen zu gehen, Ford produziert den Transit in der Türkei. Wir sind die Einzigen, die noch in diesem Bereich in Deutschland produzieren.
Woran liegt das?
Deutschland ist ein Hochlohnland. Wir reden hier über Kostennachteile von über 50 Prozent. Wenn ein Hersteller nach Polen geht, dann wird er diesen Vorteil auch im Markt ausspielen. Gerade Handwerker, die hauptsächlichen Sprinter-Kunden, stehen unter einem enormen Kosten- und Preisdruck.
Wie wollen Sie die Lücke, die VW in Ludwigsfelde hinterlässt, schließen?
Wir sprechen mit dem Betriebsrat über Produkte, Märkte, Stückzahlen und Standorte. Wir müssen uns alle Optionen anschauen. Der Sprinter deckt heute noch nicht alle Segmente in seinem Bereich ab. Transporter werden immer noch hauptsächlich in Europa genutzt. Wir wollen in Zukunft aber auch in Südamerika und den USA weiter wachsen.
Welche Abstriche fordern Sie konkret von den Mitarbeitern?
Es geht um mehr Effizienz, zum Beispiel um Schichtzulagen und Flexibilität. Das ist ein Meilenstein, der 2018 mit der neuen Sprinter-Generation auf uns zukommt.
Man kann die Personalkosten bei den eigenen Mitarbeitern senken oder Arbeit von außen einkaufen. Wie viele Leiharbeiter und Werkvertragler arbeiten derzeit bei Daimler?
Wir haben im Moment rund 5300 Zeitarbeiter im gewerblichen Bereich. Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Grenze liegt bei acht Prozent der Stammbelegschaft. Bei Werkverträgen ist es extrem schwierig, eine konkrete Zahl anzugeben, da wir eine Dienstleistung einkaufen. Manche Dienstleister arbeiten bei uns auf dem Werkgelände, manche bei ihren Firmen, manche halb und halb. Letztlich ist jegliche Geschäftsbeziehung zwischen uns und einem anderen Unternehmen ein Werk- oder Dienstvertrag, eine präzise Abgrenzung ist kaum möglich. Das macht auch eine gesetzliche Regelung schwierig.
Die soll es aber geben. Wie soll die aus Ihrer Sicht aussehen?
Wir halten das bestehende Informationsrecht der Betriebsräte über Werkverträge für absolut ausreichend. Die Ausweitung auf eine Mitbestimmung würde bedeuten, dass der Betriebsrat zum Beispiel dabei mitredet, ob wir die Lichtmaschine selbst produzieren oder bei Bosch einkaufen.
Wäre das so schlimm?
Das wäre ein Unding. Letztlich greift die Diskussion auch in eine Branchenlandschaft ein. Viele dieser Firmen sind innovative, hoch angesehene Mittelständler. Jetzt reden wir darüber, dass es schlecht ist, mit diesen Firmen einen Vertrag abzuschließen. Ich kann doch nicht einen Dienstleister beauftragen und dann auf genau den gleichen Bedingungen bestehen wie bei Daimler. Das kann nicht das Verständnis moderner Wirtschaft sein. Dann sind wir zurück beim Kombinat.
Aber problematisch wird es doch, wenn Menschen einfache Tätigkeiten machen und trotzdem ungleich bezahlt werden.
Wir haben Ende vergangenen Jahres eine Sozialcharta verabschiedet, in der etwa die Mindestvergütung von Werkverträgen, der Gesundheitsschutz oder Standards der Unterbringung geregelt sind. Die Umsetzung ist eine Herkulesaufgabe, da wir derzeit im Prinzip mit Tausenden Firmen unterschiedliche Regelungen haben.
Bereits von der Koalition beschlossen ist die Rente mit 63. Wie viele Ihrer Mitarbeiter könnten davon Gebrauch machen?
Bei uns sind es vermutlich nicht so viele. Viele haben mit 63 noch keine 45 Berufsjahre oder sind über Altersteilzeit bereits früher in den Ruhestand gegangen.
Trotzdem sind Sie dagegen?
Ich kann doch nicht auf der einen Seite signalisieren, dass wir alle länger arbeiten müssen, weil die Sozialsysteme das nicht verkraften, und dann solche Wahlgeschenke machen. Ich stelle mir die Frage, was man mit diesen vielen Milliarden Euro für die zukünftigen Generationen hätte machen können. Dieses Geld wird uns in der Zukunft an anderer Stelle massiv fehlen.