Der rechte Verein „Zentrum Automobil“ will bei den kommenden Betriebsratswahlen seinen Einfluss ausbauen. Foto: Getty Images Europe

Der rechtsextreme Verein „Zentrum Automobil“ will seinen Einfluss bei den bevorstehenden Betriebsratwahlen bei Daimler weiter ausbauen. Die Grünen zeigen sich besorgt.

Stuttgart - In den Daimler-Werkhallen herrscht Unruhe. Der rechte Verein „Zentrum Automobil“ will bei den kommenden Betriebsratswahlen seinen Einfluss ausbauen. Die Gruppe ist im Betriebsrat des Untertürkheimer Werks mit vier Sitzen vertreten. In Rastatt tritt das Zentrum im März zum ersten Mal an. Erklärter Hauptfeind: die IG Metall. Deren „linke Vorherrschaft“ soll beendet werden. Unterstützung kommt von der neuen Rechten, die sich seit den Erfolgen der AfD im Aufwind fühlt. Führende Köpfe von Zentrum Automobil bewegen sich aber schon länger am rechten Rand.

Nach Informationen unserer Zeitung war der Schatzmeister des Stuttgarter Vereins früher Bundesschatzmeister der Neonazi-Organisation „Wiking-Jugend“ (WJ). Die 1952 gegründete Gruppierung galt jahrzehntelang als Kaderschmiede der rechtsextremen Szene. Im November 1994 verbot das Bundesinnenministerium den Verein aufgrund seiner Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus. „Die Organisationszwecke von Hitlerjugend und WJ sind weitgehend identisch“, hieß es in der Verbotsverfügung. Die flatterte auch in den Briefkasten von Hans Jaus in Schorndorf.

Der heute 56-Jährige war im November 1991 zum Bundesschatzmeister der Wiking-Jugend ernannt worden. Er verwaltete die Konten der Neonazis und führte den „Gaubereich Schwaben“. Im Zuge des Verbotes stellte die Polizei in seinem Haus eine Mitgliederliste von 400 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet sicher. Heute kümmert sich Jaus um die Finanzen von Zentrum Automobil und schult „patriotische“ Betriebsräte. Seine Wiederwahl ins Arbeiternehmergremium im Untertürkheimer Werk gilt als wahrscheinlich: Auf der Bewerberliste des Zentrums steht er auf Platz drei.

Verfassungsschutz interessiert sich nicht für den Verein

Angeführt wird die Liste von Oliver Hilburger, dem früheren Gitarristen der Neonazi-Band „Noie Werte“. Weniger Aussicht auf ein Mandat im Daimler-Betriebsrat dürfte Sascha W. haben. Der 47-Jährige sitzt im Vorstand der rechten „Alternativgewerkschaft“ und kandidiert auf Platz 14. In den Neunziger Jahren war er Mitglied der Stuttgarter Skinhead-Truppe „Kreuzritter für Deutschland“. Das gab seine Ehefrau dem NSU-Untersuchungsausschuss im Juni 2017 zu Protokoll.

Auch die Zentrum-Liste im Rastatter Daimler-Werk wird von einem Mann mit rechtsextremer Vergangenheit angeführt. Der 37-jährige Tobias G. gehörte laut Behördendokumenten jahrelang zur badischen Neonaziszene. Als Verfassungsschützer diese im Juli 2009 im Vorfeld eines „Nationalen Volleyballturniers“ observierten, war G. eine der Zielpersonen. Aus den Akten geht hervor, dass minutiös dokumentiert wurde, wann der Gernsbacher seinen Arbeitsplatz im Mercedes-Werk in Rastatt-Rheinau betrat. Auch als Teilnehmer von Schulungsveranstaltungen rechtsextremer Kameradschaften fiel G. auf. Für seine Aktivitäten beim Zentrum Automobil interessiert sich der Verfassungsschutz hingegen nicht.

Verein ist keine Alternative zu demokratischen Einzelgewerkschaften

Der Verein sei kein Beobachtungsobjekt, teilte das Innenministerium der grünen Landtagsfraktion im Januar auf Anfrage mit. Hans-Ulrich Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, betrachtet die Entwicklung zu extrem rechten, AfD-nahen Betriebswahllisten trotzdem mit Sorge. „Gesellschaft, Gewerkschaften, Politik und Behörden sind hier zu großer Wachsamkeit aufgerufen“, sagte er.

Es müsse geprüft werden, ob der Ausgangspunkt dieser Entwicklung - das Stuttgarter „Zentrum Automobil“ - die Gemeinnützigkeit besitzt oder sie beantragt hat. Das Mitwirken eines ehemaligen Funktionärs der verbotenen „Wiking-Jugend“ beim „Zentrum Automobil“ als Vorstandsmitglied unterstreiche die Einschätzung als rechtsextremer Verein. Sckerl: „Fast der komplette Zentrum-Vorstand besteht aus Personen, die sich in der Vergangenheit rechtsextremistisch oder neonazistisch betätigt haben sollen. Dies kann definitiv keine Alternative zu den demokratischen Einzelgewerkschaften des DGB sein.“