Die Meinung der Daimler-Mitarbeiter interessiert auch das Fernsehen. Foto: Mathias Kuhn

Der Abgasskandal verunsichert die Belegschaft des Stuttgarter Autobauers. Konkrete Informationen erhoffen sie sich von der Konzernspitze bei den Centerversammlungen.

Untertürkheim - Es herrscht eine gespaltene Stimmung bei den Mitarbeitern des Mercedes-Benz-Werks Untertürkheim. Monat für Monat produziert der Konzern einen Absatzrekord nach dem anderen. Im Stammwerk brummt es. Immer mehr Motoren, Getriebe und Aggregate verlassen die Montagehallen. Es herrscht Vollbeschäftigung.

Gleichzeitig trübt der Abgasskandal das positive Bild. In dieser Woche finden sogenannte Centerversammlungen statt. Das sei eine Art Betriebsversammlung in kleinerem Rahmen, erklärt ein Gewerkschafter. Er wie rund 20 000 andere Beschäftigte des Autobauers erwarteten bei diesen Treffen von der Konzernspitze Antworten auf drängende Fragen nach dem Dieselskandal und dem Fortschritt in Sachen E-Mobilität.

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Zu einer der größten Centerversammlung trafen sich am Mittwoch Daimler-Beschäftigte in der Carl-Benz-Arena. Gegen 11.30 Uhr verließen die ersten mit dem schwarzen Daimler-T-Shirt bekleideten Mitarbeiter den Saal, gruppierten sich unter einem Schatten spendenden Baum und diskutierten. Der Großteil der Gruppe, die überwiegend aus Leiharbeiter des Logistikbereichs bestand, war enttäuscht von der Versammlung. „Es wurden viele Reden gehalten und Zahlen vorgelegt, dass die Produktion auf Hochtouren läuft. Aber wir haben keinen Ton darüber gehört, dass Leiharbeiter übernommen werden“, sagt einer der Beschäftigten auf Zeit. Dies sei eine Folge der Ungewissheit über die Folgen des Abgasskandals. „Wir kleinen Arbeiter müssen dann das ausbaden, was die Chefs und Planer verbockt haben“, ruft ein anderer in die Runde. Erzählungen von Leiharbeitern, die seit fünf Jahren im Werk arbeiten, denen aber die Übernahme verwehrt werde, weil sie – so offenbar die Begründung – nicht genug qualifiziert seien, machen die Runde. Entsprechend groß ist ihr Frust. Eine „gewisse Enttäuschung“ schwingt aber auch in den Aussagen von langjährigen Mitarbeitern mit. Nicht wenige betonen, dass die Produktion so gut laufe wie noch nie – aber immer sind selbst bei eingefleischten Mercedes-Benz-Mitarbeitern Zweifel darüber vernehmbar, wie lange der Boom wohl noch anhält. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass auch unser Konzern vom Abgasskandal direkt betroffen sein könnte“, meint ein mehr als 30 Jahre in Untertürkheim arbeitender Daimler-Mitarbeiter. Noch lägen die Fakten zwar nicht auf dem Tisch und er hoffe auch, dass die Weste nicht weiter beschmutzt werde. Aber der Glanz des Stuttgarter Autobauers habe bereits „ein paar Schrammen abbekommen“.

Enttäuschung macht sich breit

Das befürchtet auch Serkan Senol. Umso ernüchternder empfand er, dass bei der Versammlung der Abgasskandal nur gestreift und von den Centerleitern nichts Tiefergehendes erläutert wurde. „Wir vermissen klare Antworten. Wir haben nur erfahren, was wir bereits aus der Presse vernommen haben“, ist das Mitglied des Untertürkheimer Betriebsrats enttäuscht. Natürlich seien er und seine Kollegen stolz auf das Absatz-Plus von sieben Prozent im vergangenen Quartal, aber die Mitarbeiter hätten heute auch mehr Details über das Ausmaß der Abgasaffäre erwartet. „So wird unser hart erarbeiteter Ruf als Erbauer von tollen Autos ramponiert“, befürchtet Senol. „Die Kunden erwarten von uns saubere Spitzenfahrzeuge. Sie fühlen sich betrogen“, wirft ein Mitarbeiter im Vorbeigehen ein.