Der Autobauer Daimler soll einen Schaden von rund 1,3 Millionen Euro erlitten haben (Symbolbild). Foto: dpa/Larissa Schwedes

Ein Ex-Mitarbeiter von Daimler in Sindelfingen steht vor Gericht. Er gesteht, die Firma betrogen zu haben. Das Urteil soll Ende November fallen.

Sindelfingen - Der erste Verhandlungstag schafft alles andere als Klarheit. „Ich habe noch nicht verstanden, was Sie eigentlich einräumen. Das System verstehe ich nicht“, sagt der Vorsitzende Richter der 13. großen Wirtschaftskammer des Stuttgarter Landgerichts am Mittwoch drei Stunden nach dem Prozessbeginn. Kurz zuvor hatte der Hauptangeklagte, ein ehemaliger Mitarbeiter des Daimler Werks in Sindelfingen, der für den Automobilhersteller in leitender Funktion tätig gewesen war, die in der Anklage verlesenen Vorwürfe eingeräumt.

Die Staatsanwaltschaft legt dem 59-Jährigen zur Last, im Zeitraum von Dezember 2007 bis April 2012 mehrere überteuerte Programmier-Aufträge an einen 67-jährigen Mitangeklagten veranlasst und dafür von diesem über einen weiteren 54 Jahre alten Mitangeklagten Schmiergeld erhalten zu haben. Den Gewinn sollen die Angeklagten unter sich aufgeteilt haben. Hierdurch soll Daimler einen Schaden von rund 1,3 Millionen Euro erlitten haben. Zehn Mal sollen die Männer so zu Geld gekommen sein.

Der Hauptangeklagte habe aus einer Notlage heraus gehandelt

Der Hauptangeklagte scheint bis zu dem besagten Vorfall ein unbescholtenes Leben geführt zu haben: Der in Hechingen geborenen Mann stammt aus einer Unternehmerfamilie, er ist verheiratet und hat einen Sohn. Nach seinem Abitur an einem Wirtschaftsgymnasium machte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann, anschließend studierte er Informatik. Wegen seiner Diplomarbeit hatte er erstmals Kontakt zu Daimler, vor mehr als 30 Jahren stieg er als Softwareentwickler fest bei dem Automobilhersteller ein, damals noch in Untertürkheim.

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Eine finanzielle Notlage habe ihn schließlich zu der Tat veranlasst, die ihn jetzt vor Gericht gebracht hat. „Ich musste Steuern in großem Umfang bezahlen“, sagt er. Er gebe die Tat zu, wolle aber klarstellen, dass er selbst keine Kostenstellenverantwortung bei Daimler gehabt habe. „Die lag auf Ebene drei und höher“ sagt er. Er selbst sei auf Ebene vier eingestuft gewesen. Konkret wollte er damit verdeutlichen, bei Daimler habe man gewusst und gewünscht, dass er das Subunternehmen des Mitangeklagten beauftragt habe.

Die Frage, woher das Geld kommt, bleibt unbeantwortet

Entgegen der Anklage behauptet der frühere Daimler-Mitarbeiter, er habe mit dem besagten Mitangeklagten nie über das von ihm einbehaltene Geld gesprochen. Dieser bestätigt: „Ich wusste nichts von den Taten und habe erst 2012 durch den Durchsuchungsbeschluss des Staatsanwalts davon erfahren“. Einen privaten Kontakt habe es nie gegeben, versichert er. Der Maschinenbau- und Wirtschaftsingenieur ergänzt, infolge der Vorkommnisse habe er seine Firma aufgeben müssen, und auch eine erst 2012 gegründete GmbH „war in den letzten Jahren nicht erfolgreich“.

Zu dem anderen Mitangeklagten, räumt der Ex-Daimler-Mitarbeiter ein, pflege er dagegen eine innige Freundschaft. Die beiden duzten sich, seien alte Jugendfreunde. Der Maurer, der nach seiner Lehre eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker gemacht hat, habe seine Firma eigens auf Wunsch des Hauptangeklagten gegründet. Er sei es auch gewesen, der die Stundensätze mit den beauftragten Programmierern vereinbart und die Rechnung für den nachgeschalteten, ebenfalls angeklagten Subunternehmer erstellt habe. Dieser rechnete wiederum mit Daimler ab.

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Im Laufe des Prozesstags wirft der Vorsitzende Richter immer wieder Rechnungen an die Wand, die Unstimmigkeiten im Geldfluss zeigen. „Woher kommt das Geld, von dem Sie gesagt haben, dass sie es herausgezogen haben?“ Auf diese Frage findet der Richter am ersten Verhandlungstags keine Antwort. Insgesamt sind 13 Verhandlungstage angesetzt. Die ersten Zeugen werden am Montag vernommen. Das Urteil soll Ende November fallen.