Stammbeschäftigte, Leiharbeitnehmer und Werkverträgler werden höchst unterschiedlich behandelt in den Betrieben. Foto: dpa

Ein bei Daimler tätiger Leihbeschäftigter übt in einer Fernsehreportage Kritik an den Ungerechtigkeiten des Systems mit Leiharbeit und Werkverträgen, das Beschäftigte zweiter und dritter Klasse produziert. Die Leihfirma reagiert prompt.

Stuttgart - Empört reagiert die Gewerkschaft auf neu beleuchtete Missstände bei Leiharbeit, Werkverträgen und Solo-Selbstständigkeit. Gezeigt wurden diese in einer am Mittwoch ausgestrahlten SWR-Dokumentation „Harte Arbeit – schlechter Lohn“. Darin wurden unter anderen Arbeiter von Daimler vorgestellt, die so wenig verdienen, dass sie als Aufstocker Hartz-IV-Zuschüsse vom Staat erhalten.

Der Gesamtbetriebsratschef von Daimler, Michael Brecht, nennt es nun ein „Riesenärgernis, dass es über Werkvertrags-Konstruktionen überhaupt möglich ist, auf dem Werksgelände Niedriglöhne zu bezahlen“. Es sei „höchste Zeit“, dass das Unternehmen seine Widerstände überwinde und mit der Arbeitnehmerseite dafür sorge, „dass solche unwürdigen Arbeitsbedingungen ein Ende haben“. IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger zufolge sind bisherige Versuche gescheitert, für Werksvertragsunternehmen in der Kontraktlogistik, die bei Daimler zum Einsatz kommen, einschließlich deren Leiharbeiter tarifvertragliche Regelungen zu definieren.

Die Verleihfirma zieht sofort Konsequenzen

Dies sei aber kein alleiniges Problem von Daimler, sondern treffe auf weitere Unternehmen in der Automobilindustrie zu, die vor Ort Tätigkeiten in der Logistik an Fremdfirmen auslagern. Beschäftigte in der Kontraktlogistik arbeiteten zu deutlich schlechteren Bedingungen, als es die Tarifverträge vorsähen. Für die Leiharbeiter bei diesen Firmen „sinkt das Verdienstniveau noch weiter“. Eine tarifvertragliche Lösung für die gesamte Branche zu erzwingen sei bislang erfolglos.

In der Reportage wird der Fall eines Metallfacharbeiters geschildert, der fünf Jahre lang bei Daimler im Werk Untertürkheim über ein Werkvertragsunternehmen als Leiharbeiter gearbeitet hat und mit drastischen Worten auf unfaire Unterscheidungen zwischen Stammbelegschaft und den anderen Beschäftigten bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen hinweist. Nach Informationen dieser Zeitung hat ihn die Verleihfirma – PM Quality mit Sitz in Ludwigsburg – daraufhin abgezogen, so dass er am Donnerstag nicht mehr zur Nachtschicht antreten durfte. In der Personalstelle sei ihm mit Verweis auf den Fernsehauftritt mitgeteilt worden, dass Daimler seinen Einsatz von sofort an nicht mehr wünsche. Der Mann musste seinen Daimler-Fremdfirmenausweis abgeben. Ein Daimler-Sprecher stellt dagegen fest: „Der Mitarbeiter ist bei Daimler weiterhin willkommen, wenn ihn seine Firma schickt.“ Daimler habe keine Sperrung des Mitarbeiters veranlasst. Aus Sicht von SPD-Landeschefin Leni Breymaier reicht dieses Bekenntnis nicht. Der Autobauer müsse den Mann ausdrücklich anfordern. „Sonst bleibt ein Geschmäckle.“ Besser wäre seine Festanstellung.

Daimler hält seine Grundsätze für beispielgebend

Ein Sprecher des Autobauers betont, „dass der Film keine Verstöße bei Daimler aufgezeigt hat“. Gezeigt werde, dass Daimler Werkverträge und Zeitarbeit abwickelt, wie es im Arbeitsrecht vorgesehen sei. „Das beweist, dass unsere sozialen Grundsätze für Werkvertragsfirmen, die wir 2013 eingeführt haben, greifen – sie sind beispielgebend für die deutsche Wirtschaft.“ Im gewerblichen Bereich hat das Unternehmen derzeit rund 5500 Zeitarbeitskräfte eingesetzt – bei einer Stammbelegschaft von bundesweit 170 000. Aktuell werde die Unterstützung durch Zeitarbeitnehmer aufgrund der guten Auftragsentwicklung im Mercedes-Benz-Werk Wörth erhöht, das in der Dokumentation auch eine Rolle spielt. Seit 2005 habe Mercedes-Benz in Wörth 2200 Zeitarbeitnehmer fest eingestellt – bei 11 000 Mitarbeitern insgesamt.