Viele Daimler-Mitarbeiter sollen gehen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Daimler sendet den Mitarbeitern übers Internet wertschätzende Botschaften, plant beim Stellenabbau aber ein knallhartes Vorgehen. Der Konzern muss den Mitarbeitern auch dadurch Respekt entgegenbringen, dass er ihnen reinen Wein einschenkt, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart - „Ich zähle auf Sie“, sagte Daimler-Chef Ola Källenius Ende März in einer Video-Botschaft an die Mitarbeiter. Viele Beschäftige, denen bald eine Vorladung beim Chef bevorsteht, dürften sich schwertun, diese wertschätzende Youtube-Ansage mit dem zusammenzubringen, was sie beim Trennungsgespräch erleben werden. Denn die Führungskräfte haben den klaren Auftrag erhalten, den Personalabbau rigoros umzusetzen und den Beschäftigten notfalls auch mit hohem Druck die Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag abzutrotzen.

Wie freiwillig ist die Unterschrift?

Im Grundsatz ist es gut, dass Daimler die Führungskräfte darauf vorbereitet, Trennungsgespräche professionell zu führen. Vieles in den internen Schulungsunterlagen für die Chefs, die unsere Zeitung öffentlich gemacht hat, soll auf beiden Seiten eine zerstörerische Eskalation von Wut, Angst und Verzweiflung verhindern. Das ist verdienstvoll. Doch zugleich kostet das heutige Vorgehen die Konzernführung Glaubwürdigkeit bis in hohe Managementebenen hinein. Denn der Vorstand schwört seine Führungskräfte auf einen Kurs ein, der weder zur angeblichen „doppelten Freiwilligkeit“ noch zur unermüdlich vorgetragenen Wertschätzung für die Mitarbeiter passen will.

Jobsicherung bedeutet keine Garantie

Natürlich müssen beim Stellenabbau genügend Freiwillige zusammenkommen, denn der nächste Schritt wären wahrscheinlich Entlassungen. Diese würden sich in der dramatischen Lage wohl nicht einmal durch weitreichende Jobsicherungsverträge, wie Daimler sie hat, einfach abwenden lassen. Doch damit Mitarbeiter sich ernstgenommen fühlen können, muss der Konzern ihnen reinen Wein einschenken. Gefühlige Botschaften nach außen und ein knallhartes Vorgehen im Inneren wirken dagegen doppeldeutig und schüren nur Verbitterung.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de