In Ludwigsburg war beim Pferdemarkt das gesamte Wochenende die Hölle los. Am Sonntag strömten Tausende Besucher zum dem Umzug durch die Stadt.
„Oh, sind die süüüüß!“ Das hört man aus Kindermündern am Rande des Festumzugs – dem Höhepunkt des Pferdemarkts –, der an diesem Sonntag über den Stern in Ludwigsburg, über die Wilhelmstraße in Richtung Bahnhof zieht, immer wieder.
Gemeint sind die etwa 25 Foxhounds, die inmitten von Pferden dahinwackeln – und, trotz Menschenmassen an Straßenrand ganz brav in der Gruppe bleiben. Dass die Hunde auch anders können – alles andere als süß –, kleine Jagdmaschinen in ihnen stecken, das zeigt sich später am Tag beim Showprogramm auf der Bärenwiese. Laut bellend jagt die Meute einer künstlich gelegten Fährte hinterher, fünf Reiter hinterher.
Es ist einer von vielen Programmpunkten an diesem Wochenende, der Tausende Besucher ins Herz der Barockstadt lockt.
Verein ist der größte seiner Art in Deutschland
Die Hunde gehören dem Schleppjagdverein von Bayern, dem mit rund 450 Mitgliedern größten seiner Art in ganz Deutschland. Gegründet wurde der Club 1986 in München, seit 1989 residiert er in Pöttmes (Kreis Aichach-Friedberg) nördlich von Augsburg. Von Anfang an dabei: Toni Wiedemann. Der 72-Jährige sitzt seit einem Reitunfall vor acht Jahren im Rollstuhl. Bei einer Jagd auf der Insel Herrenchiemsee stürzten der „Master“ des Vereins sowie ein weiterer Reiter wegen eines scheuenden Pferdes an einem Hindernis. Der Club schrieb später vom „schwärzesten Tag in der Vereinsgeschichte“.
Seiner Liebe zum Reitsport, zur Jagd und den Hunden hat das keinen Abbruch getan. Wer mit Toni Wiedemann spricht, der merkt schnell: das ist sein Leben. In Ludwigsburg sitzt er am Rand der Showwiese und kommentiert das Treiben und Gewusel, das zumindest einen Eindruck von dem geben soll, was der Verein sonst auf viel mehr Platz betreibt. Das Zusammenspiel von Tier und Mensch, die Freiheit, die besondere Atmosphäre – all das macht die Schleppjagd für ihn aus. „Die Leute rennen heute blind durch die Natur, wenn sich die Landschaft verändert, das merkt kaum einer mehr.“ Wer an einer Schleppjagd teilnehmen will, der sollte schon mal auf einem Pferd gesessen und auch im Gelände unterwegs gewesen sein. Das wichtigste aber: „Die Leute und die Pferde müssen entspannt sein.“ Denn es geht zackig voran.
Ludwigsburg ist „eine Pferdestadt“
Mit bis zu 80 Kilometern in der Stunde jagen die Hunde dahin, auf 1000 Meter hängen sie die Pferde locker ab. „Ich hatte schon Wetten auf der Galopprennbahn laufen“, sagt Wiedemann, „die habe ich alle gewonnen.“ Die Jagd mit einer Hundemeute auf lebendes Wild ist in Deutschland seit den 1930er Jahren aus Tierschutzgründen verboten. Deshalb hetzen die Hunde einer künstlichen Fährte, die ein Schleppenleger mit einem Tropfkanister legt, hinterher. Gebucht wird die Meute aus Bayern beispielsweise auch für Film und Fernsehen – oder für Jagden rein zum Privatvergnügen. Zu den Reittrainings kommen Sportler – vor allem Frauen – aus der ganzen Republik, auch aus Österreich. „Wenn 30 bis 50 Pferde auf einmal galoppieren, das ist auch für erfahrene Reiter etwas Besonderes“, so Wiedemann.
Ihm ist wichtig zu betonen, dass der Verein großen Wert auf artgerechte Haltung legt. Um die 60 bis 70 Tiere, die zur Meute gehören, kümmert sich eine hauptberufliche Pflegerin. Die Hunde leben in Familien von 15 Tieren, mehr als 30 Würfe hat der Verein seit seiner Gründung großgezogen. Es gibt einen engen Austausch mit anderen Clubs, die die Tradition ebenfalls hochhalten. In Deutschland waren es zu Hochzeiten einmal um die 25, mittlerweile sind es noch 15. Wiedemann ist sich dennoch sicher, dass der Sport nicht aussterben wird – und der Schleppjagdverein von Bayern, der seit zehn Jahren zum Pferdemarkt nach Ludwigsburg kommt, dies auch weiterhin tun wird. „Es macht immer großen Spaß“, sagt Wiedemann, „man merkt einfach immer, dass Ludwigsburg eine Pferdestadt ist.“
Was war sonst noch los am Fest-Wochenende?
In der Tat war wieder einiges los beim Pferdemarkt: schon am Samstag strömten die Massen. Beim Dackelrennen war hinter der Bande kaum noch Platz, auch die Brautage waren da schon gut besucht. Das Wetter meinte es gut mit Veranstalter, Budenbesitzer und Besuchern – an beiden Tagen strahlte die Sonne. Ein besonderes Fahrgeschäft hatte der Vergnügungspark gegenüber des Forums am Schlosspark in diesem Jahr auch zu bieten: ein gigantisches Pendel, das optisch einem Teppich gleicht. Bei einer Schwingweite von mehr als 30 Metern war Kreischen programmiert.
Am Sonntag dann ein ähnliches Bild, wieder war die Innenstadt proppenvoll. An den Ständen entlang der Königsallee mit allerlei Krimskrams war das Gedränge groß, noch größer am Rande des Umzugs über die Sternkreuzung und die Wilhelm- bis in die Myliusstraße. Die Menschen fanden auf den Gehwegen an manchen Stellen kaum noch Platz.
Schätzungsweise 15 000 Besucher, vielleicht noch mehr, verfolgten das Spektakel mit 65 Vereinen und Gruppen, die ihr Können und Pferde aller Größen und Farben präsentierten. Trotz der Massen, bis zum frühen Sonntagabend verzeichnete die Polizei „keinerlei Auffälligkeiten“, der Verkehr sei während des Umzugs rund um Ludwigsburg zwar ins Stocken gekommen, „aber es war ja überall ausgeschildert“, sagte ein Polizeisprecher. „Aus unserer Sicht gab es dieses Mal kein Verkehrschaos, auch wenn mit dem Busverkehr nicht alles reibungslos geklappt hat“, sagte Christoph Adels von der Tourismus und Events, die das Fest veranstaltet. Ansonsten waren die Organisatoren hochzufrieden. „Das erste warme Wochenende in diesem Jahr, kein Regen, besser hätte es nicht laufen können“, sagt Adels.