Bleibt ein Teil der ehemaligen Stuttgarter Gestapo-Zentrale doch erhalten? Foto: dpa

Das Land als Investor des Bauprojekts wehrt sich gegen den Teilerhalt des Hotels Silber.

Stuttgart - Die ultimative Forderung der Grünen nach einem Teilerhalt der einstigen Gestapo-Zentrale an der Dorotheenstraße stößt beim Investor Land auf Ablehnung. Das mit der Planung der Neubauten beauftragte Architekturbüro Behnisch rät zu einer "Denkpause".

Die Mitgliederversammlung der Grünen hatte sich am späten Donnerstagabend in einer Kampfabstimmung dafür entschieden, die im Krieg unzerstört gebliebenen Teile des Hotels Silber zu erhalten. Konkret handelt es sich um den an der Dorotheenstraße in Richtung Markthalle weisenden Ostflügel. In dem Haus wurde von den Nazis der Terror gegen Minderheiten organisiert. Das Land hat dort seit Jahrzehnten Ministeriumsbüros.

Das Land und das Kaufhaus Breuninger planen zwischen der Dorotheenstraße und dem Breuninger-Stammsitz in zwei neuen Gebäuden rund 49.000 Quadratmeter Büros, Verkaufsfläche und ein Luxushotel. Das Hotel Silber sollte dazu abgerissen werden. Den Architektenwettbewerb für den Da Vinci genannten Neubau gewann im März 2010 das Stuttgarter Büro Behnisch.

Die beiden neuen Gebäude sollen 49.000 Quadratmeter Geschossfläche haben. Diese Dimension war früh von Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) und im Gemeinderat von nahezu allen Fraktionen kritisiert worden. Die Vertreter der Grünen und der SPD im Architektenwettbewerb hatten den Behnisch-Entwurf wegen seiner Größe abgelehnt. "Das Land will zu viele Büros reinpressen, darüber ist keiner glücklich", sagt SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind.

Eine "Klatsche" für Gemeinderatsfraktion

Zum Erhalt des Hotels Silber, in dem ein Lern- und Gedenkort an die Nazi-Diktatur untergebracht werden könnte, bildete sich eine Initiative von 22 Gruppen. Auch die SPD und SÖS/Linke im Gemeinderat fordern den Kompletterhalt. Die Grünen verfolgten bisher in der Fraktion mit zwölf zu vier Stimmen eine Verhandlungslinie. Als möglich angesehen wurde dabei ein Teilerhalt der Fassade an der Dorotheenstraße.

Jetzt ist alles anders. Mit den Grünen gibt es im Rat eine knappe Mehrheit für den Erhalt des halben Hauses. Man werde sich, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Muhterem Aras, an die Vorgaben der Mitgliederversammlung halten. "Ja, man kann das als Klatsche gegen uns deuten", so Aras am Freitag auf Anfrage. "Das Land muss von seinen Vorstellungen runter", fordert Aras. Sie hoffe, "dass Land und Breuninger nun nicht aussteigen". Eine Verbesserung der teils tristen Hinterhof-Situation an der Karlstraße sei dringend geboten.

"Das Land erschwert eine gute Lösung dramatisch", sagt Co-Fraktionschef Werner Wölfle. Nach einer Denkpause müsse Baubürgermeister Hahn 2011 Gespräche zwischen Rat, Stadtverwaltung und den Investoren moderieren. Sich selbst sieht Wölfle, der gegen den Teilerhalt sprach, durch das Mitgliedervotum nicht beschädigt. Die Stadträtinnen Anna Deparnay-Grunenberg und Gabriele Nagl sowie die Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch, die den Teilerhalt forderten, verweisen auf Druck aus der eigenen Mitglied- und der Bürgerschaft. Dort wünsche man den Kompletterhalt des Hotels Silber. "Insofern war unser Antrag vermittelnd", sagt Grunenberg.

Im Finanzministerium des Landes will man weiter planen wie bisher. "Wir gehen davon aus, dass es bei den bisherigen Beschlüssen der Stadt und des Gemeinderates bleibt", heißt es dort. Man erwarte, "dass ein Bebauungsplan aufgestellt wird, der die Durchführung des Projekts ermöglicht".

Breuninger-Chef  reagiert besonnen

Breuniger-Chef Willem van Agtmael reagierte am Freitag besonnen. Der Beschluss der Grünen stehe "im kompletten Widerspruch zur bisherigen Haltung der Fraktion". Man wolle die im Gemeinderat nun mögliche neue Linie mit dem Land bewerten und dann entscheiden.

Die Initiative für den "Lern- und Gedenkort Hotel Silber" begrüßte den Grünen-Beschluss als "Entscheidung der Vernunft". Das Gebäude der ehemaligen Gestapo-Zentrale dürfe nicht aus dem Stadtbild entfernt werden. Die massiven Bürgerproteste hätten bei der größten Gemeinderatsfraktion wohl Eindruck hinterlassen.

"Unsere Vorgaben sind nach diesem Beschluss völlig verändert", sagt Martin Haas, Partner bei Behnisch Architekten. In dieser Größenordnung sei das "ungewöhnlich". Den "Konflikt in der Politikszene" könnten Architekten nicht lösen. "Wir brauchen klare Vorgaben, es geht um eine Investition von 150 Millionen Euro", sagt Haas.