Die Zahl der Angriffe auf Unternehmen übers Internet steigt. Die Dunkelziffer ist laut Landeskriminalamt sehr hoch. Foto: dpa

Viele kleine und mittlere Firmen haben keinen eigenen IT-Experten. Weil die Cybersicherheit aber immer wichtiger wird, will das Land nun einspringen. Eine Cyberwehr soll künftig bei Attacken helfen.

Stuttgart - Es ist etwas mehr als einen Monat her, dass Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor Journalisten die Digitalisierungsstrategie des Landes vorstellte und dabei auch die Idee einer Cyberwehr für kleine und mittlere Unternehmen verkündete. Man wolle gerade ihnen „sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag schnell helfen, wenn sie von einem Cyberangriff betroffen“ seien, sagte er. Wie die Einrichtung personell ausgestaltet sei, wo sie hinkomme und mit wem sie möglicherweise kooperiere, konnte Strobl damals aber noch nicht sagen. Inzwischen ist sein Ressort, das alle Digitalisierungsthemen des Landes bündelt, einen Schritt weiter. Es gibt konkrete Pläne, die unserer Zeitung vorliegen.

Demnach startet die Cyberwehr Anfang 2018 in einer Region in Baden-Württemberg als Pilotversuch. Offiziell ist der Standort dafür zwar noch nicht ausgewählt, aber nach Informationen unserer Zeitung hat das Ministerium bereits Karlsruhe fest im Blick, weil dort in der Region mehr als 4000 IT-Unternehmen ansässig sind.

Geplant ist ein Demonstrationszentrum für Cybersicherheit

Geplant ist, ein Demonstrationszentrum für Cybersicherheit einzurichten. Es soll als zentrale Anlaufstelle für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Einrichtungen der öffentlichen Hand dienen, Präventionsveranstaltungen für sie anbieten, eingehende Notfälle koordinieren und andere potenziell für eine Cyberattacke gefährdete Organisationen warnen. Die erste Hilfe vor Ort für Firmen, die von einem Hackerangriff betroffen sind, sollen regionale, speziell geschulte IT-Experten übernehmen.

In Zusammenarbeit mit bestehenden Einrichtungen wie dem Forschungszentrum Informatik (FZI) und dem Kompetenzzentrum für angewandte Sicherheitstechnologie (KASTEL) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) beim baden-württembergischen Landeskriminalamt und dem Computer Emergency Response Team (CERT) des Landes soll die neue Cyberwehr-Koordinierungsstelle für die regionalen Cyberwehrmitglieder Qualitätsanforderungen und Zertifizierungskriterien definieren sowie ein standardisiertes Vorgehen in Notfällen entwickeln.

Erweist sich das Konzept der Feuerwehr für Cyberattacken in der 15-monatigen Erprobungsphase in Karlsruhe und Umgebung als Erfolg, soll es auf andere Regionen ausgeweitet werden.

Und das scheint dringend nötig, denn die Zahl der Angriffe auf Firmen wächst. Laut Landeskriminalamt (LKA) wurden im vergangenen Jahr 1140 Attacken mit einer Schadsoftware bekannt. Im Jahr 2015 hatten sie hingegen nur rund 400 dieser Fälle registriert. Eine beliebte Methode der Kriminellen ist, vermeintliche Bewerbungen per E-Mail an Personalabteilungen zu schicken. Beim Öffnen des Anhangs erscheint dann aber weder ein Bewerbungsschreiben noch ein Lebenslauf. Vielmehr wird das schädliche Programm geöffnet und der betroffene Computer gesperrt. Immer öfter werden auch nur bestimmte, geschäftssensible Dateien verschlüsselt. Gleichzeitig fordern die Kriminellen eine Zahlung von Lösegeld – meist in Form der sogenannten Bitcoins.

Die Dunkelziffer ist extrem hoch

Die Experten beim LKA für Cyberkriminalität weisen darauf hin, dass die Dunkelziffer dieser Erpressungsangriffe extrem hoch sei. So meldeten sich Opfer immer wieder nicht bei der Polizei, weil sie sich schämten, betrogen worden zu sein, oder Angst davor hatten, im Fall des Bekanntwerdens Geschäftspartner zu verlieren. Um zu verhindern, dass es Opfer gibt, verschickt das LKA schon heute anlassbezogen Warnmeldungen über die Industrie- und Handelskammern sowie Unternehmensverbände. Die Cyberexperten halten zudem Vorträge für Unternehmen. Bald soll diese Aufgaben die Cyberwehr übernehmen.

Weil viele kleine und mittlere Unternehmen sich keine teuren IT-Experten leisten können oder wollen und manche von ihnen das Thema Cybersicherheit gar unterschätzen, sieht Minister Strobl in der Cyberwehr einen wichtigen Baustein, um das Land als Wirtschaftsstandort auch im Zuge der Digitalisierung attraktiv zu halten. Die IT-Sicherheit sei „das Fundament der digitalen Welt“, sagte Strobl unserer Zeitung.

Er betonte, dass Baden-Württemberg die innovativste Region Europas sei, es hier kaum einen Landkreis ohne Weltmarktführer gebe und nirgendwo mehr in Forschung und Entwicklung investiert werde. All das ziehe auch Kriminalität an. Die grün-schwarze Landesregierung setze deshalb alles daran, jenen Mittelständlern zu helfen, die auf diesem Gebiet „noch viel Unterstützung brauchen“, so Strobl. Denn: „Wenn Daten und das Know-how nicht sicher sind, ist bei der Digitalisierung alles nichts.“