Vor allem Mädchen sind Opfer von Cyber-Attacken. Foto: Shutterstock/Petrenko Andriy

Smartphones haben Mobbing unter Schülern verschärft. Anonymität und große Reichweite des Internets machen das Problem schwer beherrschbar. Wer Opfer und wer Täter ist, lässt sich bei Cyber-Mobbing häufig schwer sagen.

Stuttgart - Bloßgestellt, bedroht, gedemütigt - laut einer Studie in Stuttgarter Schulen ist inzwischen jeder dritte Jugendliche in Mobbing im Internet verwickelt. Sie seien Opfer oder Täter, was beim sogenannten Cybermobbing häufig nur ganz schwer zu trennen sei, berichtete die Präventionsbeauftragte des Regierungspräsidiums, Anke Ebner, am Donnerstag.

Das virtuelle Mobben habe sich an den Schulen so rasant ausgebreitet wie das Smartphone als sein Medium. 92 Prozent der Jugendlichen haben ein Handy, 57 Prozent ist es wichtig, auch unterwegs im Internet zu sein, wie Befragungen der Techniker Krankenkasse (TK) ergaben. Beleidigungen dort machten Angst, hilflos, verzweifelt und wütend. Virtuell an den Pranger gestellt zu werden, könne Sucht, Depression und im Extremfall Suizidgedanken auslösen, berichtete Kultus-Staatssekretärin Marin von Wartenberg (SPD) beim Besuch eines Projekts gegen Mobbing an der Stuttgarter Bismarckschule.

Fast jeder vierte Schüler (23 Prozent) gab in der Studie der Universitäten Hohenheim und Münster an, mindestens einmal durch Cybermobbing schikaniert worden zu sein. Wer via Smartphone im Internet angegriffen werde, so Ebner, schieße schneller ähnlich beleidigend zurück als beim klassischen Mobbing in der Klasse oder auf dem Schulhof. „Da ist das Opfer klarer Opfer.“

Das Belästigen im Internet ist ihren Erkenntnissen zufolge in der Regel mit klassischem Mobbing verbunden. Beleidigungen allein im Netz gebe es nur sehr selten. In der Regel setze sich sowas auf dem Schulhof fort. 42 Prozent der befragten Stuttgarter Schüler gaben laut Ebner in der Studie des Kommunikationswissenschaftlers Thorsten Quandt an, persönliche Erfahrungen mit Mobbing zu haben.

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Cybermobbing hat vielfältige Formen

Wobei man von Mobbing erst spreche, wie Ebner betonte, wenn ein Einzelner, ein Opfer, über einen längeren Zeitraum einer größeren Zahl von Tätern ausgesetzt ist. „Eine beleidigende Nachricht, ein demütigendes Bild ist noch kein Mobbing“, so Ebner. Das bewusste Ausgrenzen aus einer „WhatsApp“-Gruppe etwa könne eine Mobbingtat sein.

Besonders häufig gemobbt werden laut Quandt Mädchen und Schüler unterer Klassen, hatten Untersuchungen ergeben. Die Täter sind häufig gut integrierte Kinder aus der Mitte der Klasse. Ein wahrer Beleidigungsreigen kann laut Ebner mit einem simplen Facebook-Eintrag losbrechen: Einer postet ein Bild seiner neuen Jacke, und an einen ersten lästernden Kommentar hängen sich innerhalb kürzester Zeit viele weitere an - meist immer drastischer. Auf Facebook gründen sich auch immer wieder Gruppen, die sich speziell gegen Einzelne richten.

Einer Gruppe wie „Wir hassen alle Susanne“, zu der dann eingeladen wird, würden schnell mal bis zu 20 Mitschüler beitreten. Noch eine Stufe drastischer sei das Erstellen von Fake-Accounts. Von dort aus würden dann quasi im Namen des Opfers Mitschüler oder auch Kollegen wüst beschimpft. „Das ist nicht üblich, passiert aber“, berichtete Ebner.

Üblicher sei das Cybermobbing über die Verbreitung von Fotos jeglicher Art, um die Opfer ins Abseits zu stellen: etwa Fotos im Schlaf, aufgenommen in Schullandheimen, oder von Verkleidungspartys. Jungs verkleiden sich als Mädchen - und ganz schnell würden sie im Internet als Homosexuelle verunglimpft. Doch nicht nur mit peinlichen, intimen oder erniedrigenden Fotos, auch durch derartige Videos werden Jugendliche schikaniert. Um dem Problem Cybermobbing Herr zu werden, reiche es nicht aus, den Kindern Medienkompetenz zu vermitteln, sagte Ebner.

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Viele Eltern fühlen sich hilflos

Vielmehr müsse Mediennutzungskompetenz gelehrt werden. Heißt: Die Kinder müssen Anweisungen bekommen, wie sie mit möglichen Konflikten im Netz umgehen. Ebner sprach von Sozialkompetenz. Verschärfend komme hinzu, dass sich laut TK viele Eltern (30 Prozent) hilflos fühlen, auch weil sie technisch nicht Bescheid wüssten. Von Wartenberg betonte, dass Prävention und Medienkompetenz als Leitlinien im neuen Bildungsplan für Baden-Württembergs Schulen stehen. Seit fünf Jahren engagieren sich das Kultusministerium und die TK für das Programm „Mobbingfrei Schule - gemeinsam Klasse sein“. Das Projekt wurde jetzt um das Thema Cybermobbing erweitert. Mit dem „Anti-Mobbing-Koffer“ können Schulen Projektwochen veranstalten. 1600 solcher Koffer sind im Umlauf.

Das Internet bietet Anonymität und ist Plattform, um mit Bloßstellung, Verleumdung oder Bedrohung viele Menschen zu erreichen. Cybermobbing ist kein Problem nur unter Jugendlichen: Beispiele dafür sind Mobbing unter Kollegen, die öffentliche Diffamierung von Lehrenden durch Schüler, das Angreifen öffentlicher Personen etwa durch sogenannte Shitstorms oder auch Racheaktionen am Ex-Partner.

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