Hinter dem Cyber-Angriff auf das Datennetz der Bundesregierung stehen laut Sicherheitsexperten russische Hacker. Foto: dpa

Der neue Hacker-Angriff zeigt, wie verwundbar auch Deutschland ist. Doch freie Gesellschaften sind gegenüber Putins Einflussoperationen keineswegs wehrlos, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.

Stuttgart - Das Abschöpfen vertraulicher Informationen, Sabotage und die Bloßstellung der angegriffenen Regierungsstellen als Zeichen von Stärke – nach diesem Muster ist ganz offensichtlich die neue Cyber-Attacke auf deutsche Regierungsstellen verlaufen. Und der Angriff, den Sicherheitsexperten mit russischen Geheimdiensten in Verbindung bringen, hatte keine kleinen Behörden im Visier, sondern das zentrale Datennetz des Bundes, das als besonders geschützt galt, und über das man Zugang zu Regierungsdaten unter anderem aus dem sensiblen Außen- und Verteidigungsministerium bekommt. Egal, wie manche Beschwichtigungsformel aus dem Regierungsapparat auch ausfallen mag, schlimmer könnte die Blamage, die Verunsicherung und der Schaden für einen funktionierenden demokratischen Rechtsstaat kaum sein.

Einmal mehr wird klar, dass der Kreml-Herrscher Wladimir Putin in Ermangelung eines attraktiven Gesellschaftsmodells verstärkt auf die Macht des Destruktiven setzt: Wenn es ihm schon nicht gelingt, sein eigenes Land zu reformieren, führt der Ex-KGB-Mann – mit den Mitteln der Spionage, Sabotage und Einflussnahme – einen heimtückischen Feldzug gegen freiheitliche Demokratien überall auf der Welt. Das hat wahrscheinlich bisher niemand besser dokumentiert als vor zwei Wochen der US-Sonderermittler Robert Mueller mit seiner Anklage gegen 13 russische Agenten wegen ihrer groß angelegten Einflussoperation im US-Wahlkampf 2016. Da wird fein säuberlich die Verschwörung gegen die US-Demokratie dokumentiert – durch „das Beeinträchtigen, Behindern und Vereiteln rechtmäßiger Regierungsfunktionen der Vereinigten Staaten“.

Nicht nur Putin

Doch wie sich mit dem Angriff auf Deutschland erneut zeigt, versucht Putin auch in Europa Zwietracht zu säen, indem er, wie in Frankreich, in Tschechien und womöglich auch hierzulande ihm nahestehende Politiker finanziert, in Computersysteme eindringen und über soziale Medien Propaganda und Lügen verbreiten lässt. Putin ist leider nicht der einzige autoritäre Herrscher, der sich dieser durch die Digitalisierung enorm erweiterten Möglichkeiten zur bösartigen Einflussnahme bedient.

Die Nichtregierungsorganisation Freedom House listete unlängst Manipulationen und Desinformationskampagnen per Internet in 17 Ländern auf. In der Türkei verfügt Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit den sogenannten White Trolls über eine ihm treu ergebene 6000 Personen umfassende Troll-Armee aus der Regierungspartei AKP. Und China setzt zum Intervenieren in den sozialen Netzen Freiwillige aus dem Nachwuchs der Kommunistischen Partei ein. Zudem greifen autoritäre Staaten in aller Welt verstärkt auf sogenannte Bots zurück, Computerprogramme, die den Meinungskampf im Internet maschinell manipulieren.

Informationskrieg

Strategen wie Ben Hodges, Ex-Kommandeur des US-Heeres in Europa, sprechen von „Informationskrieg“. Er hatte 2015 klar gewarnt: „Die russische Führung setzt Information wie Artillerie oder Raketen ein – mit hohem Ausstoß.“ Offene, pluralistische Demokratien sind demgegenüber im Nachteil, verwundbar, aber nicht wehrlos. Zur effektiven Verteidigung gehört volle Transparenz: Auch die Europäer brauchen Untersuchungen vom Kaliber Robert Muellers. Facebook und Co. müssen im Kampf gegen Desinformation stärker kooperieren. Zudem braucht es Regierungen, die den Autoritären entgegentreten, ihnen zur Not mit Gegenmaßnahmen drohen. Und Bürger, die wissen, wie digital manipuliert wird.