Die CSU-Winterklausur im verschneiten Kloster Seeon ist zu Ende. Foto: dpa

Die CSU flötet den Neuanfang mit der großen Schwester CDU herbei, verweigert sich aber der Einsicht in ihre selbst gemachten Probleme, kommentiert Paul Kreiner.

Kloster Seeon - Es riecht nach Neuanfang. Diese Botschaft sollte von der Winterklausur der CSU-Bundestagsgruppe in Kloster Seeon ausgehen. So war es gewollt, und tatsächlich hat in den ersten zwei Tagen nichts diese Inszenierung gestört. Am Ende aber legte sich doch wieder Frost über wohl allzu frühe Knospen. Etwa wenn Landesgruppenchef Alexander Dobrindt als einer der – wie er zugab – „Beteiligten“ am chronischen Schwesternstreit des vergangenen Jahres keinerlei Einsicht in die Gefahren von damals zeigen wollte. Man habe 2018 einen „Blick in den Abgrund“ getan, sagte die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer neben ihm, doch der verschlagene Taktiker Dobrindt lächelte kühl: dieses Bild könne er nicht teilen.

Immerhin. Kramp-Karrenbauer war bei der CSU, und sie hat nicht nur eine pflicht-protokollarische Stippvisite absolviert, sondern mit den Abgeordneten auch noch spätabends im Bierkeller zusammengesessen. Man konnte sich also näherkommen. Und es besteht weiterhin die Chance, dass an die Stelle der tief verwurzelten, nickeligen, persönlichen Rivalitäten und Rachegelüsten, welche das Verhältnis zwischen den bisherigen Parteichefs Horst Seehofer und Angela Merkel in den letzten Jahren so unerträglich gemacht haben, unbelastete, freundliche Beziehungen treten können. Es gäbe die Chance auf einen Generationswechsel. Aber der neue Geist muss nun auch eine Chance bekommen.

Was führt Markus Söder im Schilde?

Tatsächlich aber wartet der frisch begonnene Jahreslauf mit vielen Stolpersteinen auf. Ja, die Union will so geschlossen zur Europawahl antreten wie seit langen Jahren nicht mehr. Aber was ist, wenn die CSU dabei den nächsten ihrer mittlerweile serienmäßigen Abstürze erlebt? Was ist, wenn für die dann nicht mehr so ganz große Schwester CDU die drei herbstlichen Landtagswahlen im Osten schiefgehen? Was, wenn die Große Koalition in Berlin ihre vertraglich für den Sommer vereinbarte Zwischen-Inventur nicht überlebt?

Ferner: Wie kann sich „AKK“ in ihrer Partei durchsetzen, etwa gegen den immer noch verbitterten Friedrich-Merz-Fanclub? Und dann, bei der CSU: Was führt Markus Söder im Schilde? In zwei Wochen wird er offiziell zum Parteichef gewählt, und was seinen Einfluss auf die GroKo betrifft, dazu hört man aus der Gruppe der CSU-Abgeordneten recht verschiedene Erwartungen: Der Mann, der bisher in Bayern, und ausschließlich in Bayern, die Grenze seines politischen Horizonts gesehen hat: Wie stark wird er sich in Berlin einmischen? Wie stark wird er „machen lassen“? Was wird die Rolle zum Beispiel eines Alexander Dobrindt sein? Er rühmt sich längerer, erprobter, freundschaftlicher Beziehungen zu „AKK“, aber wie sehr ist darauf Verlass? Wie werden sich überhaupt im GroKo-Berlin in Berlin die Kräfte verteilen? Welche langfristigen, karriere- und machtpolitischen Ziele stecken dahinter? Und wer spannt wem zu welcher Zeit den Stolperdraht?

Die Idee ist wohl der Not geschuldet

Fürs erste jedenfalls scheint man in der CSU, und scheint auch Markus Söder eingesehen zu haben, dass Machtspielchen gegeneinander nichts bringen in der Publikumsgunst, und dass die Union nur stark ist, wenn sie in überzeugender Gemeinsamkeit auftritt. Das hat eine gewisse Bedeutung für die anstehenden Wahlen. Die CSU will ihren Kandidaten für die Europawahl, der nun unversehens – und gegen viele Behinderungen aus der Münchner Parteizentrale – zum Spitzenmann der europäischen Konservativen geworden ist, nun möglichst auch an die Spitze der EU-Kommission pushen; dann fiele von Manfred Webers Glanz auch einiger auf die CSU selbst zurück. Das klappt nur mit vorbehaltloser Geschlossenheit innerhalb der Union. Und wenn’s schief geht, dann kann selbst Markus Söder das nicht so einfach der CDU anlasten wie Horst Seehofer seinerzeit „der Merkel“ alles in die Schuhe geschoben hat. Laut Umfrage kennt derzeit, nicht mal mehr fünf Monate vor der Europawahl, nur die Hälfte der Bayern den Namen Manfred Weber. Da muss die CSU also im eigenen Herrschaftsgebiet noch eine Unmenge an Versäumtem und bewusst Unterlassenem nachholen.

Überhaupt scheint die CSU erkannt zu haben, dass sie nach dermaßen drastischen Wahlniederlagen in Folge auf Dauer nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen kann, wie sie derzeit nach außen hin noch tut. Für 2019 versprechen Markus Söder als CSU-Chef und Markus Blume als Generalsekretär einen breiten inneren Dialogprozess zur Erneuerung der Partei. Der Idee nach ist dieser solide angelegt und wohl auch – der Not geschuldet – ernst gemeint. Was dabei praktisch herauskommt, wird man im Spätherbst beim regulären Parteitag sehen. Einstweilen reist man aus dem zugeschneiten Kloster Seeon ab – und der Frühling zögert noch mächtig.