Seit der Bundestagswahl hat CSU-Vize Peter Gauweiler fast eine Million Euro nebenbei verdient – mehr als jeder andere Abgeordnete Foto: dpa

Peter Gauweiler ist Spitze. Nicht am Rednerpult im Bundestag und nicht bei den Abstimmungen. Der CSU-Abgeordnete ist unabhängig und – so viel ist sicher – das zeigt er auch.

Berlin/München/Stuttgart -   - Das Leben fährt Paternoster. Der Mandant, den das Verzeichnis des Deutschen Bundestages, die Nummer 5 verleiht, musste im vergangenem Jahr seinem Anwalt eine Summe irgendwo unterhalb von 30 000 Euro überweisen. Das hat nicht gereicht. In diesem Jahr sind schon wieder mehr als 250 000 Euro fällig geworden. Das musste Mandant 2 im letzten Jahr abdrücken. Jetzt hat er’s wohl geschafft, in diesem Jahr ist bis jetzt nur ein Taschengeld von unter 3500 Euro fällig geworden.

Es wird gut angelegtes Geld gewesen sein, denn die beiden hatten einen tüchtigen Anwalt. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hat sie vertreten, wie 17 andere Mandanten in diesem Zeitraum auch. Wenn man das alles anhand der von jedem Bundestagsabgeordneten zu veröffentlichten Liste der Nebeneinkünfte zusammenrechnet, kommt seit der Bundestagswahl eine Summe zusammen, die dicht an der Millionengrenze liegt. Tätigkeiten „neben dem Mandat“ heißt das offiziell – und mit Mandat ist das Bundestagsmandat gemeint. Was fast ein bisschen witzig ist, denn die Formulierung legt ja nahe, dass der Job als Abgeordneter eigentlich die Hauptsache ist. Woran doch Zweifel möglich sind, wenn man die Million mit den gut 100 000 Euro aus Diäten vergleicht.

Also haben sich viele aufgeregt. Organisationen, die den Kampf für Transparenz auf ihre Fahnen geschrieben haben. Aber auch Abgeordnete wie der Bonner SPD-Parlamentarier Ulrich Kelber, der die Nebeneinkünfte mit Gauweilers ziemlich häufigen Abwesenheiten im Bundestag ins Verhältnis setzt. Tatsächlich hatte Gauweiler laut „Abgeordnetenwatch.de“ zwischen der Bundestagswahl 2009 und April 2012 36 von 62 namentlichen Abstimmungen im Bundestag verpasst – Rekord.

Wie gesagt, viele regen sich auf. Einer nicht. Gauweiler selbst. Er sagt zu den regelmäßigen Vorwürfen genau so regelmäßig, dass die erfolgreiche Berufstätigkeit eines Abgeordneten seines Erachtens die Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung sei. Und außerdem bedeute Politik das Lösen von Problemen, aber nicht, „nutzlos herumzusitzen“.

Böse Zungen sagen, Gauweiler habe längst das „Fuck-you-money“ verdient, ein unfeiner Ausdruck für die feine Lage, so viel Geld zu haben, dass einen niemand mehr unter Druck setzen kann. Obwohl die Zungen vielleicht gar nicht so böse sind. Gauweiler ist unabhängig und – so viel ist sicher – das zeigt er auch. Fraktionsdisziplin – nicht mit ihm.

Er hat einen eigenen (klugen) Kopf, und den pflegt er zu gebrauchen. Die Freiheit des Abgeordneten nimmt er so ernst, dass ihn dafür viele Kollegen, bei allem Gemäkel über seine Nebeneinkünfte offen bewundern. Wie Oskar Lafontaine, der ihn einen „Unbeugsamen“ nennt.

Das Protokoll des zivilen Ungehorsams ist umfangreich. Gegen die Hauptströmung in seiner Partei hat Gauweiler gegen den Irak-Krieg Stellung bezogen; gegen den Einsatz von Bundeswehr-Tornados in Afghanistan Verfassungsbeschwerde eingelegt; die deutsche Haltung in der Ukraine-Krise scharf kritisiert. In Sachen Europapolitik ist er besonders hartnäckig: Gegen den Lissabon-Vertrag hat er in Karlsruhe geklagt; den Milliardenkredit an Griechenland und den Euro-Rettungsschirm hat er im Bundestag abgelehnt, auch hier ging er bis vors Verfassungsgericht. Beim Fiskalpakt hat er auch mit Nein votiert. Er nahm sich übrigens auch die Freiheit, als einziger Unionspolitiker einen Antrag der Linkspartei zu unterstützen, die Privatisierungen kommunaler Wasserbetriebe unterbunden sehen wollte.

Das ist keine Masche. Im Bundestag gilt der Provokateur Gauweiler durchaus nicht als Pausenclown. Dass er im Zuge seiner Klage gegen den Lissabon-Vertrag dem deutschen Parlament starke Mitwirkungsrechte erstritten hat, wird ihm parteiübergreifend hoch angerechnet.

Der CSU hat die innere Liberalität Gauweilers meist genutzt. Im Europawahlkampf stellte sie Gauweiler in die allererste Reihe, machte ihn sogar zum Parteivize. Die Rechnung, die auf das Einfangen der Euro-Skeptiker abzielte, ging allerdings diesmal nicht auf. Aber immerhin, Gauweiler ist in seiner Partei gerade ganz oben. Er kennt es auch anders. Auch mit ihm fuhr das Leben Paternoster. Genauer gesagt Edmund Stoiber. 1994, damals war Gauweiler bayerischer Umweltminister, schickte ihn der machtbewusste Ministerpräsident in die Wüste, weil Gauweiler den Mandantenstamm seiner Kanzlei verpachtete. Rechtlich konnte ihm allerdings niemand etwas anhaben.

Damals startete seine Karriere als Anwalt. Inzwischen zählt er zu den Großen des Metiers. Das liegt vor allem an einem Coup: In einem zwölfjährigen erbitterten Rechtsstreit mit der Deutschen Bank, der mit härtesten Bandagen ausgefochten wurde, erstritt er für die Erben Leo Kirchs fast eine Milliarde Euro. Der höchste Vergleich, der je vor einem deutschen Gericht geschlossen wurde.

Diese kompromisslose Dickschädeligkeit im Kampf gegen Alphatiere fand offenbar auch Stefan Mappus anziehend, der Gauweiler mit der Klage gegen die Kanzlei Geiss Lutz beauftragt hat. Die habe den damaligen CDU-Ministerpräsidenten, so der Vorwurf, beim Rückkauf der Anteile am staatlichen Energieversorger EnBW falsch beraten. Ein ungeheurer Vorwurf gegen eine der renommiertesten Sozietäten Deutschlands.

So etwas findet Gauweiler attraktiv. Seine Kanzlei fährt schweres Geschütz auf. Zum „Sündebock“ sei Mappus gemacht worden für alle Versäumnisse beim Erwerb der Anteile. Doch alle tatsächlichen oder vermeintlichen Fehler seien nur die direkte Folge der mangelhaften Beratung durch die Beklagten. Juristen jauchzen vor Behagen ob dieses Gigantenkampfs innerhalb der Zunft.

Dennoch kann es für den beruflich so erfolgreichen Gauweiler politisch brenzlig werden. Manchmal lässt sich Privatjob und Politikerleben eben nicht so klar trennen. Schon gar nicht in Bayern. Gauweiler vertritt auch den Laborunternehmer Bernd Schrottdorf. Es geht um mögliche Unsauberkeiten beim Abrechnen von Untersuchungen. Der Fall hat das Potenzial, sich noch erheblich auszuweiten, und der bayerische Landtag hat einen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Schrottdorf hat dagegen Verfassungsbeschwerde beim bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht – auch unterschrieben von „Dr. Peter Gauweiler, Rechtsanwalt“. Das ist heikel. Schrottdorf wird eine gewisse Nähe zur CSU nachgesagt, und die Partei will sich nicht nachsagen lassen, die Aufklärung zu behindern.

Die Christsozialen haben nämlich genug einschlägige Scherereien. Christine Haderthauer, die Chefin der Staatskanzlei, sieht sich mit staatsanwaltlichen Betrugsermittlungen gegen sie konfrontiert. Ex-Fraktionschef Georg Schmid ist angeklagt, weil er seine Frau als Sekretärin beschäftigt und fällige Sozialversicherungsbeiträge unrechtmäßig „gespart“ haben soll. Und das alles in einer Zeit, da es der Partei auch politisch schlecht geht: Die Europawahl endete für die CSU mit einem 40-Prozent-Desaster, und die PKW-Maut ist bislang nicht mehr als ein unausgereifter und umstrittener Plan.

In solchen Situation neigen Parteichefs zu Symbolhandlungen. Horst Seehofer könnte „den Stoiber machen“ – und sein Mütchen an Gauweiler kühlen. Der steht bundespolitisch wegen seiner üppigen Nebeneinkünfte im Feuer und trägt zweifellos durch seine vom Wähler abgestraften europakritischen Töne eine Mitschuld am enttäuschenden Wahlergebnis. Da kann man ja schon mal auf die Idee kommen, personelle Konsequenzen zu ziehen, um wenigstens noch als handlungsstark dazustehen.

Fährt Gauweilers Paternoster also gerade wieder nach unten? Möglich. Aber diesmal würde es ihn nicht mehr so treffen wie damals bei Stoiber. Er ist frei gewählter Abgeordneter – und will nichts mehr werden. Gauweiler ist umstritten. Nur dass er unabhängig ist – das ist völlig unumstritten.