Markus Söder ist der neue CSU-Chef. Foto: AFP

Die CSU startet mit Parteichef Markus Söder in eine neue Ära. „Mit Erleichterung und Dankbarkeit“ tritt Horst Seehofer zurück. Und die Chefin der CDU bekommt bei den „lieben Brüdern und Schwestern“ einen Werbe-Auftritt.

München - Eine kleine Stichelei muss am Ende doch noch sein. „Sie werden Ihr Gesicht nicht verlieren, wenn Sie eine Entscheidung revidieren“, zitiert Horst Seehofer aus seinem Tageshoroskop – und durch die Reihen der CSU in der Münchner Olympiahalle geht ein heftiges Raunen. Doch diesmal bleibt Horst Seehofer (69) seiner Rücktrittsankündigung treu. Nach mehr als zehn Jahren, genau 3739 Tagen, sagt er, lege er das Amt des CSU-Chefs „in die Hände der Partei“ zurück. Von einer „Mischung aus Dankbarkeit und Erleichterung“, spricht Seehofer noch – und knapp zwei Stunden später ist an diesem Samstag der Machtwechsel dann endgültig vollzogen: Markus Söder (52) sieht sich von den 800 Parteitagsdelegierten mit 87,42 Prozent zum neuen Vorsitzenden gewählt. „Ja, klar“, sagt er, als er der Form halber gefragt wird, ob er die Wahl annehme. Seehofer wiederum wird später noch zum Ehrenvorsitzenden der CSU gekürt. „Mit einer bis drei Gegenstimmen“, wie das Tagungspräsidium festgestellt.

In seiner Rede kündigte Markus Söder nach den vergangenen schweren Wahlschlappen „ein Jahr der Erneuerung und der Aufarbeitung“ an. Ein „einladendes, kein ausgrenzendes Menschenbild“ soll seine CSU aus ihrer christlichen Prägung heraus vertreten. Ansprechen solle die Partei auch Neubürger mit Migrationshintergrund, „denn Bayer wird man nicht nur durch Geburt, sondern auch durch Einstellung und Überzeugung.“ Neben der konservativen will Söder auch die liberale und die soziale Wurzel der CSU wieder stärker zur Geltung bringen; ausdrücklich griff Söder den letzten Wunsch Seehofers an seine Partei auf: „Vergesst mir die kleinen Leute nicht.“ Zuletzt hatte sich die CSU stärker auf die „Leistungsträger der Gesellschaft“ konzentrieren wollen.

Söder grenzt CSU scharf von der AfD ab

Für einen Neuanfang verlangte Söder von seiner Partei „den Willen zur Gemeinsamkeit“. Man solle, regte er nach Jahren des Streits an, „nur mehr gut übereinander reden.“ Und flankiert mit der rhetorischen Frage „Kann der Söder das?“, kündigte er an, in der CSU „aus großartigen Solisten ein tolles Orchester“ formen zu wollen.

Scharf grenzte Söder die CSU von der AfD ab. Eine Lehre aus dem Wahljahr 2018 sei, es habe keinen Sinn, der AfD hinterherzulaufen und sie zu kopieren, sagte Söder. Der Kurs von Björn Höcke und dessen Gefolgsleuten führe „in die Unsittlichkeit.“ Söder warnte auch vor einem Austritt Deutschlands aus der EU, wie ihn die AfD neuerdings ins Spiel bringt: Das wäre, sagte Söder, „ein Rückfall in ur-nationalistische Zeiten.

Diese Abgrenzung passt zu dem neuen, „ohne Wackeln“ europafreundlichen Kurs, dem sich die CSU verschrieben hat. Grund dafür ist an vorderster Front, dass der einheitliche Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei für die Europawahlen, Manfred Weber, aus der CSU kommt. In der Partei sieht man ihn bereits als Chef der EU-Kommission, und Söder versprach, man werde sich „mit ganzer Kraft und Leidenschaft in den Wahlkampf hängen.“

Der Applaus hielt sich in Grenzen

Neu anfangen wollen auch die beiden Schwesterparteien CSU und CDU in ihrem über die letzten Jahre von Streit und Rivalitäten geprägten Verhältnis. Aus diesem Grunde wurde auch die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zum Parteitag der CSU eingeladen – während man ihre Vorgängerin, Angela Merkel, über Jahre hinweg nicht mehr hatte sehen wollen. „Wenn wir es als Unionsparteien nicht schaffen, ein schwieriges Problem gemeinsam zu lösen“, erinnerte AKK an die Flüchtlingswellen 2015, „dann wird es von allen schlechter gelöst; dann hat keiner von uns was davon.“ CDU und CSU seien „die letzten verbliebenen Volksparteien“, sie hätten deswegen auch eine höhere Verantwortung. Aufsehen erregte Kramp-Karrenbauer schon mit ihrer Begrüßung. Die CSU-Delegierten sprach sie als Mitglieder „unserer großen Parteienfamilie“ an mit: „Liebe Brüder und Schwestern!“ Der Applaus hielt sich in Grenzen. Während sowohl Söder als auch Seehofer und Manfred Weber mit stehenden Ovationen gefeiert wurden, blieben für AKK alle sitzen.

Hatte er sich bei der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz vor wenigen Tagen noch mit bundespolitischen Ideen profiliert – unter anderem der Forderung nach einem „Föderalismus der zwei Geschwindigkeiten“ für reichere und ärmere Bundesländer – schlug Söder beim Parteitag am Samstag fast nur heimische Töne an. Die CSU verstehe sich „als Lordsiegelbewahrer bayerischer Interessen“, sagte der Ministerpräsident und neue Parteichef; gleichzeitig müsse niemand Angst haben, „wir machten jetzt ein Bavaria first“. Der Horizont richte sich darüber hinaus – im Sinne des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß: „Bayern meine Heimat, Deutschland mein Vaterland, Europa meine Zukunft.“