CSU-Vize Peter Gauweiler legt seine politischen Ämter nieder. Foto: dpa

Die Gräben waren letztlich zu tief: Im Streit mit CSU-Chef Horst Seehofer schmeißt Parteivize Gauweiler die Brocken hin und kommt damit wohl seiner drohenden Abwahl zuvor. Allerdings stürzt der streitbare Euro-Rebell seine Partei in ungeahnte Probleme.

München/Athen - Dass es einsam um ihn wurde, war schon beim letzten CSU-Parteitag im vergangenen Dezember zu sehen: Da saß Peter Gauweiler zwar der Nomenklatura entsprechend als Partei-Vize in vorderster Reihe, am Parteitagsgeschehen nahm er jedoch nicht teil. Die Ukraine-Debatte mit einer scharfen Verurteilung Russlands ließ der 65-Jährige über sich ergehen, obgleich er doch einiges Verständnis für Wladimir Putin aufgebracht hatte. Zum Thema AfD sagte er nichts, auch nichts zu Griechenland.

Womöglich sah Peter Gauweiler schon kommen, dass er nicht mehr allzu lange Zeit der stellvertretende Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union sein würde, einer von vier Vertretern des Parteichefs Horst Seehofer. Denn es knirschte schon seit längerem vernehmlich in der CSU-Führungsriege. Es ist das abrupte Ende einer langen politischen Karriere: Peter Gauweiler gab gestern sein Bundestagsmandat und seinen Posten als CSU-Vizevorsitzender auf. In einer Erklärung begründet er die Rücktritte mit seiner Ablehnung von Euro-Rettungspaketen und weiteren Hilfen für Griechenland.

In der CSU vertrat der 65-jährige Rechtsanwalt damit seit jeher eine – immer wieder auch geachtete – Minderheitenposition. Nun aber sei von ihm „öffentlich verlangt worden“, so schreibt Gauweiler, dass er als CSU-Vize im Bundestag gegen seine eigene Meinung abstimmen solle. Dies sei mit seinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar.

Gauweiler macht keine halben Sachen

Weil Gauweiler eben Gauweiler ist und damit zumindest ein Mann, dem man mangelnde Konsequenz nicht nachsagen kann, macht er keine halben Sachen oder einen Rückzug auf Raten. Gauweiler schmeißt alles hin. Sein Schritt richtet sich in erster Linie gegen Horst Seehofer. Dieser war in der letzten CSU-Vorstandssitzung wütend darüber, dass Gauweiler und der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, ebenfalls CSU-Vize, im Bundestag erneut gegen die Griechenland-Hilfen gestimmt hatten. Seehofer wird zitiert mit dem Satz: „Entweder ihr oder ich.“

Erst vor eineinhalb Jahren war der „schwarze Peter“ von Seehofer zum CSU-Vize gemacht worden. Es war die späte Befriedigung für einen Unbequemen. Für einen Mann, den viele als ultrakonservative Hassfigur ansehen, andere als feinsinnigen Intellektuellen und Juristen. Seehofer hatte Gauweiler vor der Europawahl im Frühjahr 2014 extra geholt, um die EU-kritische Wählerschaft abzudecken und die Alternative für Deutschland (AfD) klein zu halten.

Dieser Plan ging aber nicht auf, bei der Wahl erlebten die Christsozialen mit 40,5 Prozent eine krachende Niederlage, die AfD errang in Bayern 8,0 Prozent. Die Schuld wurde Peter Gauweiler zugeschoben, was ihn schmerzte. Es reifte bei Seehofer die strategische Erkenntnis, dass man nicht zugleich für und gegen Europa sein kann. In der Folge schlug er sich auf die Seite der Kanzlerin.

Ein Bierzelt-Redner alter Schule

Ein Auftritt Gauweilers ist in der CSU bis heute in Erinnerung: seine Rede beim politischen Aschermittwoch 2014, in der er ungewöhnlich Russland-freundliche Töne anschlug. Das freilich wird der CSU fehlen: Gauweiler ist ein Bierzelt-Redner alter Schule, der seine Zuhörer zu begeistern weiß. Und ganz sicher fehlen dürfte der Partei einer, der wie Gauweiler die Brüssel-, Euro- und Griechenland-kritische Flanke abdeckt. „Eine nicht kleine Minderheit in der CSU ist jetzt irritiert“, sagt einer aus dem Vorstand, spricht gar von einer„gefährlichen Situation“ für die CSU und Seehofer: Drohen CSU-Anhänger nun zur AfD abzuwandern?

AfD-Chef Bernd Lucke jedenfalls hat schon eine Einladung an Gauweiler ausgesprochen. „Wir laden Herrn Gauweiler herzlich ein, der AfD beizutreten, und begrüßen es, dass er konsequent genug ist, das Versagen der Union in Sachen Euro-Rettungspolitik durch einen Verzicht auf alle seine Ämter in der Öffentlichkeit deutlich zu machen“, erklärte der Bundesvorsitzende Lucke.

Bekannt geworden war Gauweiler in den 1980er Jahren als CSU-Hardliner. So hatte er verlangt, für Aids-Kranke das Bundesseuchengesetz anzuwenden, das Zwangstests und Ausgrenzungen vorsieht. Als bayerischer Umweltminister musste er 1994 nach einer Affäre um seine Anwaltskanzlei zurücktreten. Im Nachhinein erwiesen sich die meisten Vorwürfe als nicht richtig. Acht Jahre später erfolgte die Rückkehr in die Politik als Münchner Bundestagsabgeordneter. Gauweiler galt als der Volksvertreter mit den höchsten Nebeneinnahmen, da seine Kanzlei außerordentlich floriert. So vertrat er erfolgreich den Medienunternehmer Leo Kirch und später dessen Erben im Prozess gegen die Deutsche Bank.

An Verfassungsklagen gegen den Euro arbeitet er akribisch und erfolglos

Immer wieder wurde kritisiert, dass er seiner Abgeordnetentätigkeit in Berlin selten nachkomme und in vielen Bundestagssitzungen fehlte. In Bayern kam die Labor-Affäre hinzu: Mit immer größerem Unwillen registrierte die CSU, dass Gauweiler als Anwalt den Augsburger Pharmaunternehmer Bernd Schottdorf vertrat. Diesem wird von zwei ehemaligen Polizeiermittlern vorgeworfen, im Pakt mit Tausenden Ärzten Abrechnungsbetrug begangen zu haben. Ein Untersuchungsausschuss im Landtag sollte die Frage klären, inwieweit die Politik Druck ausgeübt hatte und die Verfahren nicht weiter verfolgt wurden.

Gauweiler war ein Politiker, der immer lustvoll und aus Überzeugung stritt. Zur Landtagswahl 2013 hatte man ihn und Wilfried Scharnagl, den einstigen Vertrauten von Franz Josef Strauß und „Bayernkurier“-Chefredakteur, zu einer ebenso polarisierenden wie launigen Veranstaltungsreihe „Bayern zuerst“ aktiviert.

An seinen vielen Verfassungsklagen gegen den Euro und die Euro-Rettungsschirme arbeitete Gauweiler ebenso akribisch wie erfolglos. Es bereitete ihm auch Spaß, ein juristisches Gutachten zum schrillen Bayern-König Ludwig II. zu erstellen. Sein Fazit: Die damalige Entmündigung des Monarchen sei verfassungswidrig gewesen. Zu Münchens einstigem SPD-Oberbürgermeister Christian Ude bestand eine enge Beziehung, die beiden kannten sich noch aus Studienzeiten und bezeichnen sich als „Freundfeinde“.

Mit Gauweiler geht auch der letzte aktive Politiker, der noch eng mit dem CSU-Übervater Franz Josef Strauß zusammengearbeitet hatte. Diese Epoche ist nun beendet, und dieses Ende ist nicht rühmlich. In einem Interview hatte Gauweiler erst kürzlich gesagt: „Politisch bleibt man, bis man stirbt.“