Die Polit-Parade, die am Samstag erneut zum CSD durch Stuttgart marschiert. Die Polizeistatistik in Baden-Württemberg zählt wieder mehr homophob motivierte Verbrechen. (Archivbild) Foto: IG CSD Stuttgart

Steinewerfende Hooligans in Polen, eine getötete Aktivistin in Russland – der Hass auf sexuelle Minderheiten nimmt weltweit wieder zu. Auch in Baden-Württemberg, wo jetzt der CSD gefeiert wird, zählt die Polizeistatistik mehr homophobe Delikte als im Vorjahr.

Stuttgart - Die Polit-Parade des Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart am Samstag verspricht eine bunte und fröhliche Veranstaltung zu werden. Die weltweiten Vorzeichen, was die Akzeptanz von sexuellen Minderheiten angeht, waren aber schon besser – rechte Hooligans attackierten jüngst eine Regenbogen-Parade in Polen, eine LGBT-Aktivistin in Russland wurde umgebracht. Auch die Polizeistatistik des Landes Baden-Württemberg zeigt zwischen 2017 und 2018 einen Anstieg an homo- und transphoben Hassverbrechen. Die Interessenverbände sexueller Minderheiten verwundert das nicht.

Während 2017 in Baden-Württemberg 37 Fälle verzeichnet sind, bei denen Menschen aufgrund ihrer sexueller Orientierung Opfer von „Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung“ wurden, gab es es im Jahr 44 solche Fälle. Im Polizeipräsidium Stuttgart erinnert man sich an eine einstellige Zahl solcher Straftaten im Jahr 2018.

Die tatsächliche Zahl der Delikte dürfte aber weit höher liegen, glauben VelsPol Deutschland und VelsPolBW, die schwul-lesbischen Mitarbeiternetzwerke der Polizei. Demnach liegt die Dunkelziffer bei 90 Prozent. Mit einer Aufklärungskampagne werben die Vereine zusammen mit dem Projekt 100% Mensch dafür, Hassverbrechen gegen sexuelle Minderheiten konsequenter anzuzeigen. Laut der bundesweiten Polizeistatistik 2017, die VelsPol zitiert, ist außerdem jede vierte Straftat gegen sexuelle Minderheiten ein Gewaltverbrechen.

FDP-Politiker im Kommunalwahlkampf beleidigt

Christoph Michl, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft CSD Stuttgart, wundert der Anstieg der Zahlen nicht, auch wenn die statistisch nicht repräsentative Zahl der angezeigten Fälle und die große vermutete Dunkelziffer die Statistik womöglich etwas verzerren. „Das gesamtgesellschaftliche Klima wird rauer“, sagt er, „zusammen mit anderen Minderheiten bekommen wir, schwäbisch gesagt, als erste auf’s Maul.“ Zwar seien ihm in Stuttgart aus jüngerer Vergangenheit keine physischen Übergriffe auf sexuelle Minderheiten bekannt, aber „mit Worten fängt es an.“

Dass sich der Ton gegenüber sexuellen Minderheiten verschärft, beobachtet Christoph Michl vor allem im Internet: „Die Beleidigungen werden immer schlimmer.“ Zu spüren bekommen hatte das auch der Moderator Chris Fleischhauer, der bei der Kommunalwahl in Stuttgart für die FDP kandidierte: „Hoffentlich überfährt Dich ein Lkw oder so, Du Fugendreck!“, schrieb ihm ein Facebook-Nutzer damals und äußerte sich außerdem herabwürdigend über Fleischhauers Homosexualität. „Beim CSD geht es heute nicht mehr nur darum, gleiche Rechte zu erringen, sondern unsere gewonnenen Rechte zu verteidigen“, sagt Michl.