Spenden zu sammeln funktioniert in unserer Zeit übers Internet und heißt dann Crowdfunding. Foto: dpa

Beim Crowdfunding bringt das Internet Kreditsuchende und Investoren zusammen. Tina Saum von der Flanerie fordert, dass die Stadt eine solche Internetplattform auf regionaler Ebene anbieten sollte.

Stuttgart - Die Berliner Weiße wurde so gerettet. Zur TV-Serie „Stromberg“ entsteht dadurch nun ein Kinofilm. Und die US-amerikanische Sängerin Amanda Palmer hat auf diese Art und Weise ihre jüngste CD aufnehmen können.

So. Dadurch. Auf diese Art und Weise: Wovon bitte ist da die Rede? Von Crowdfunding. Was das ist und wie das funktioniert? Eigentlich ist es ganz einfach: Crowdfunding ist ein junges Netz-Phänomen, das auf dem Prinzip der Schwarmfinanzierung beruht. Projektmacher sammeln Geld, Kapitalgeber sind eine Vielzahl von Personen, die das Projekt, die Geschäftsidee oder das Produkt gut finden und finanziell unterstützen – meist in Form einer stillen Beteiligung.

Diese Art der Geldbeschaffung können freilich nicht nur berühmte Künstler nutzen. Es gibt vier deutsche Plattformen – inkubato, pling, Startnext und VisionBakery – über die sich auch schon etliche Stuttgarter Projekte finanzieren und dann realisieren ließen.

So hat der Musiker Thorsten Puttenat, der mit Freunden das Internetfernsehen Flügel- TV betreibt, eine Erfolgsgeschichte über Crowdfunding zu berichten: Innerhalb kurzer Zeit konnte er auf diesem Weg 680 Euro zusammenbekommen, um Mikrofone und technische Ausrüstung zu kaufen. „Flügel-TV finanziert sich nur über Spenden und eigenes Taschengeld – deshalb haben wir bei Startnext einen Account angelegt“, sagt Puttenat. „Das Gute daran ist, dass man keine Investoren braucht oder Kredite aufnehmen muss, die einen in Abhängigkeit bringen. Es ist etwas Solidarisches.“

„Beim Crowdfunding wird die Finanzierung eines Projekts transparent gemacht“

Die Summe sei schnell zusammengekommen: „Unterstützt wurden wir vor allem von der S-21-Gegnerschaft, von Menschen, denen es wichtig ist, dass es uns gibt“, sagt Puttenat. Er ist sich voll bewusst, dass er von einer Ausnahmesituation profitierte.

Puttenat findet Crowdfunding „aber generell großartig, weil man merkt, dass den Menschen bestimmte Dinge wichtig sind und sie sogar bereit sind, dafür Geld einzubringen“. Und das, wo doch gerade die Deutschen normalerweise nur hinter vorgehaltener Hand über Geld reden: „Beim Crowdfunding wird die Finanzierung eines Projekts transparent gemacht, nicht verdruckst, sondern angenehm pragmatisch“, sagt Tina Saum. Die Regisseurin und Dramaturgin sowie Mitbegründerin und künstlerische Leiterin der Flanerie: Labor für Gedanken & Gänge hat ebenfalls ein Projekt über Crowdfunding finanziert. „Gute Bude“ hieß die Veranstaltungsreihe, bei der die Macher der Flanerie den Kiosk als urbanen Alltagsort in den Mittelpunkt gerückt haben. Dafür benötigten Tina Saum und ihre Mitstreiterin Daniela Metz 800 Euro.

Und diese bekamen sie über Startnext auch zusammen – obwohl „Gute Bude“ längst nicht so im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stand wie seinerseits Flügel-TV. „Ich denke, dass das Interessante an Projekten wie unserem ist, dass sie die Stadtkultur bereichern. Die Menschen, die spenden, können später sehen, wofür ihr Geld eingesetzt wurde, indem sie die Veranstaltung besuchen“, sagt Saum.

Deshalb plädiert sie dafür, dass in Stuttgart eine regionale Crowdfunding-Initiative entstehen sollte, wie es sie in anderen Großstädten bereits gibt: etwa Crowd Berlin, Nordstarter für Hamburg oder Dresden Durchstarter. Diese fokussieren sich vor allem auf Projekte in der entsprechenden Großstadt und der unmittelbaren Region, um lokalen Projekten eine Plattform zur Unterstützung zu geben.

Crowdfunding vermischt virtuelle und reale Welt

Saum geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie fordert, dass die Internetplattform nicht privat betrieben wird, sondern dass sich ein Amt oder eine Institution für die Bereitstellung und Wartung der Seite verantwortlich zeigt. „Ich finde es toll, dass die Wirtschaftsförderung im vergangenen Jahr eine neue Stelle geschaffen hat, um die Zwischennutzung von leerstehenden Gebäuden zu unterstützen. So etwas wünsche ich mir auch für die Crowdfunding-Idee“, so Saum.

Ausdrücklich betont Tina Saum aber, dass Stadt und Land damit nicht aus der Verantwortung seien, was die finanzielle Unterstützung von Projekten angehe: „Die Plattform könnte aber ein zusätzliches Werkzeug sein, das man zum Einsatz bringt, wenn ein Projekt nicht den strengen Förderrichtlinien genügt und nicht unterstützt werden kann“, sagt Saum. Sie findet, dass Crowdfunding „gut in unsere Zeit passt, da es die virtuelle und reale Welt vermischt“. Zudem schärfe es das Verantwortungsgefühl, da es um mehr ginge, als nur „Mag ich“ anzuklicken.

Diese Verantwortung sind nicht alle bereit zu tragen – und schon gar nicht für jedes Projekt: Längst nicht alle Sammelaktionen sind erfolgreich. Startnext, die größte deutsche Crowdfunding-Plattform, verzeichnet etwa eine Erfolgsquote von 48 Prozent. 418 Projekte waren bisher erfolgreich, 455 erfolglos, und 176 sind noch aktiv.

Auch die Betreiber der Seiten werden nicht reich: Alle deutschen Plattformen werden querfinanziert, obwohl derjenige, der einen Account anlegt, zur Kasse gebeten wird. Branchenüblich sind zwischen acht und neun Prozent, nur bei Startnext entscheidet jeder Unterstützer selbst, was ihm die Vermittlungsarbeit wert ist.

Studenten wollen mit dem Film keinesfalls missionieren

Zu immerhin 69 Prozent ist das Filmprojekt „Gott und die Welt“ bereits finanziert, vier Tage läuft es noch. Produziert wird „Gott und die Welt“ von einem jungen Team internationaler Masterstudenten des Studiengangs Elektronische Medien der Hochschule der Medien. „Wir sollen alles selbst machen, um zu lernen, was alles dazugehört, wenn man einen Film dreht“, sagt Anna Vorderdörfler.

Dazu gehört eben auch Geld. „Ich habe über 130 Mails an Firmen geschrieben, die das Projekt zwar toll fanden, aber es nicht unterstützen dürfen, da in ihren Statuten steht, dass sie nichts fördern dürfen, was mit Religion zu tun hat“, sagt Vorderdörfler. Dabei wollen die Studenten mit dem Film keinesfalls missionieren, vielmehr versuchen sie kritisch und lustig zugleich, Religion und die Frage nach der Existenz Gottes darzustellen. Ihre Hoffnung stützen sie nun nicht auf göttlichen Segen, sondern auf Crowdfunding.

www.startnext.de/gottunddiewelt, http://dieflanerie.wordpress.com/ www.fluegel.tv/webcam