Der Cricket-Nationalspieler Wasantha de Silva (vorne im Bild) ist der Kapitän der neuen Mannschaft in Pflugfelden. Foto: factum/Bach

Fußball spielen in Pakistan oder Afghanistan? Von wegen – dort wird Cricket gespielt, und zwar in den höchsten Ligen. Flüchtlinge aus diesen Ländern spielen nun gemeinsam mit Deutschen in Ludwigsburg und peilen die Bundesliga an.

Ludwigsburg - Saqeb Ali ist 17 Jahre alt und kommt aus Pakistan. Seit acht Monaten lebt er in Deutschland, und bis vor Kurzem verliefen seine Tage in der Flüchtlingsunterkunft alles andere als abwechslungsreich oder gar aufregend. Doch dies hat sich vor etwa zwei Monaten geändert: Seit Juli ist Saqeb Mitglied der neu gegründeten Cricket-Mannschaft des TV Pflugfelden und trainiert zwei Mal pro Woche mit rund 30 weiteren Mitspielern auf dem Sportplatz im Ludwigsburger Stadtteil Pflugfelden.

Bei Cricket waren die Flüchtlinge Feuer und Flamme

Die Idee, eine solche Mannschaft zu gründen, war dem Vereinsvorsitzenden Martin Müller gekommen. „Ich war Anfang des Jahres auf einer Infoveranstaltung der Flüchtlingsunterkunft auf dem Römerhügel und habe dort mal die Interessen in verschiedenen Sportarten abgefragt“, erzählt Müller. Klar – bei Fußball hätten schon einige der Männer Interesse gezeigt; richtig geleuchtet hätten die Augen der Flüchtlinge aber, als Cricket ins Spiel kam.

„Viele kommen ja aus Pakistan und Afghanistan, und da ist Cricket die Sportart schlechthin.“ Alle seien sofort Feuer und Flamme gewesen bei dem Vorschlag, eine Cricket-Mannschaft ins Leben zu rufen, und so wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Mannschaft zusammenzubekommen. Gemeinsam mit dem Lehrer Marc Richter suchte Müller seine Mitstreiter und fand sie in Wasantha de Silva. Der Cricket-Nationalspieler wohnt in Pflugfelden und wollte schon seit Längerem eine Mannschaft in Ludwigsburg aufbauen. Unterstützt wurden sie von den ehemaligen Bundesligaspielern Sanjewa Perera und Ruwantha de Silva sowie dem renommierten Cricket-Trainer Rasandika Lokuhettige, der 2009 aus Sri Lanka nach Deutschland geflohen war und der nun auch die Pflugfelder Mannschaft als Trainer unter seine Fittiche genommen hat. „Man kann sagen, unsere Mannschaft spielt hier mit echten Stars zusammen und wird hochkarätig trainiert“, sagt Vereinschef Martin Müller.

Respekt, Disziplin und Fleiß sind wichtig

Tatsächlich zeigen die jungen Männer beim Training am frühen Abend gehörigen Respekt vor dem, was Trainer und Kapitän zu ihnen sagen. Respekt, Disziplin und Fleiß seien auch die wichtigsten Eigenschaften, die ein Cricket-Spieler mitbringen müsse, betonen Martin Müller und Marc Richter. Und genau dies wollten sie den Jungs auch beibringen – auch wenn die Konsequenzen bei Nichtbeachtung bisweilen durchaus schmerzhaft sein können. „Beim Turnier am vergangenen Sonntag gegen den Bundesligisten Heidelberg durfte ein Spieler nicht mitmachen, weil er häufiger im Training gefehlt und die Anwesenheitspflicht verletzt hat“, sagt Ruwantha de Silva. Gewonnen hat das Team aus Flüchtlingen und zwei Deutschen (neben Marc Richter spielt auch der 23-jährige Besigheimer Yannik Bischoff mit) dennoch, auch wenn das Turnier im Ludwigsburger Jahn-Stadion bis zu letzt spannend war.

Cricket ist ein Stück Heimat

Es sind Erfolge wie das gewonnene Turnier, die den jungen Flüchtlingen Mut machen und ihnen eine gehörige Portion an Selbstbewusstsein geben. Der 20 Jahre alte Bashir Khan aus Afghanistan etwa lebt seit elf Monaten in Deutschland. Über seine Vergangenheit mag er nicht gerne reden. Doch sobald er sich die Schutzmanschetten um die Beine schnallt, den Ball schnappt und aufs Cricket-Feld marschiert, ist alles vergessen. „Für die Jungs ist das Cricket-Spielen ein Stück ihrer alten Heimat, gleichzeitig schaffen wir eine tolle Integration“, sagt Richter.

Für den Vereinsvorsitzenden Martin Müller kam die Geburtsstunde der Mannschaft zum richtigen Zeitpunkt. Nach dem Sieg am Sonntag soll es ab März in der Regionalliga losgehen mit dem Ziel, bald in die Bundesliga aufzusteigen. „Ich bin mir sicher, wir schaffen das“, sagt Müller.