Vorabprobe des Erstlingswerks: Michael Heid, Pit Hofmann, Jonas und Markus Heid (von links) Foto: Gottfried Stoppel

Was passiert, wenn sich Prädikatswengerter und ein Biersommelier zusammentun? Im Weingut Heid feierte jüngst ein hausgemachtes schwäbisches Craftbier auf Traubenmostbasis Premiere – herb-süffig und mit leichtem Bananen-Aroma.

Fellbach - Klar, Bier spielt schon immer auch eine gewisse Rolle im Hause Heid“, sagt Markus Heid und senkt die Nase genüsslich in das formschöne und unten weit geschwungene Probierglas. Abends nach der Arbeit in Weinberg oder Keller und nach einer Weinprobe, da gebe es oft erst mal ein Bier „gegen den Durst“.

Im Glas befindet sich bei dem Treffen in der Vorweihnachtswoche tatsächlich weder das neueste Große Gewächs aus Spätburgunder oder Riesling noch der jüngst bei der Württemberger Weinmeisterschaft siegreiche Syrah, sondern ein fast am Endpunkt der Reifung angekommenes Fellbacher Craftbier, quasi aus eigenem Hause.

Zusammen mit seinem Bruder Michael und dem Biersommelier Pit Hoffmann, bekannt als Wirt der Fellbacher Schmiede, ist der Prädikatswengerter Markus Heid nun rein hobbymäßig auch unter die kreativen Bierbrauer gegangen. Nicht irgendein Bier natürlich, sondern ein „Grape-Ale“, wie man in der Heimat der Craftbiere, den USA, sagen würde. Ein Traubenbier, das in ganz vorsätzlichem Verstoß gegen das deutsche Reinheitsgebot mit Most vom Riesling angesetzt worden ist.

„Fantastisch“, seufzt Pit, der zertifizierte Biersommelier, geradezu begeistert über das gemeinschaftliche Erstlingswerk mit 20 Prozent Traubenmostanteil, für das der Agrarwissenschaftler Michael Heid als Brauer handwerklich verantwortlich zeichnet. Und das in der Vorabprobe im Heidschen Wohnzimmer mit der Zweitversion konkurriert, bei der sogar 30 Prozent Traubensaft mit Hopfen, Malz und Wasser auf die zum Zuckerausfall optimalen 65 bis 68 Grad erhitzt worden und dann im Gärbottich gelandet sind.

Der Craftbeertrend stammt aus den USA

„Craftbier“ – die wenigsten wüssten, dass der Name schlicht vom englischen Begriff fürs Handwerk herrührt, erzählt der in Salzburg zum Biersommelier fortgebildete Wirt der Schmiede nebenbei. Und was die meisten auch nicht wissen: Der Trend zum Brauen im kleinen Maßstab und mit kreativem Impetus stammt nicht etwa aus den europäisch Bierhochburgen, sondern aus den USA. „Dort hatten vor allem die jungen Bierfreunde genug von den Versuchen der Braugiganten, überall in der ganzen Welt ihr immer gleich schmeckendes Bier durchzusetzen.“

Inzwischen ist die in den 1980er Jahren in Mode gekommene Craftbier-Euphorie natürlich auch längst im Rems-Murr-Kreis angekommen, mit Kleinbrauereien an Standorten wie Murrhardt oder Schnait. Auch in Fellbach, meint Pit Hoffmann, seien längst überraschend viele Biermacher mit hervorragenden Kreationen am Start: „Ich bin sicher, dass auch hier demnächst einer von denen richtig an den Markt geht.“

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Die Heidsche Craftbier-Connection wird das wohl nicht sein. Dafür reicht auch der gewählte kleine Maßstab nicht. So etwa 60 Flaschen seien es insgesamt – 20er- und 30er-Version zusammen – die um Weihnachten in dieser ersten Charge ihren Reifungs- und Lagerungsprozess abgeschlossen haben, sagt Michael Heid. Die Vermarktung? „Da gibt es Kontingente für jeden von uns“, erklären die drei lachend. Sie planen natürlich schon längst die nächsten Kleinchargen rein handwerklich hergestellten Grape-Ales aus Fellbach. „Ich glaube, interessant wäre, das mit mit Sylvaner zu probieren oder Müller Thurgau“, sagt Markus Heid.

Das Traubenbier ist süffig geraten

Und schon geraten die semiprofessionellen Hobbybrauer in eine Debatte über die Auswirkung unterschiedlicher Säurestruktur auf den Geschmack und die Aromastruktur. Die unterschiedliche Gärfreudigkeit von Fructose und der im Malz ausschließlich vorhandenen Glucose ist entscheidend für die Länge des Gärprozesses. Und auch die Temperatur ist bei der Gärung, mit welcher Hefe auch immer, von zentraler Bedeutung.

Kurzum: Auch wenn es definitiv nicht im Sortiment des Weinguts Heid auftauchen wird, das Traubenbier der drei Handwerksbierfreunde aus der Cannstatter Straße trinkt sich hervorragend. Kein Wunder, dass – wie Pit Hoffmann nebenbei anmerkt – schon die Römer mit dem Hybrid aus Rebensaft und Hopfenextrakt experimentiert haben. Und eins ist auch klar: In diesem Weingut ist ganz sicher weder Hopfen noch Malz verloren.

Das handwerklich gebraute Bier und seine US-Herkunft

Definition
 Craftbeer, oder auch Craftbier ist, laut einer Definition von Wikipedia, eine Gattung von Bieren, die nicht großindustriell, sondern handwerklich und meist mit einem kreativen Mix verschiedener Hopfensorten gebraut werden. Mittlerweile umfasst der Begriff internationale Kreativbiere und -brauer, die innerhalb oder außerhalb des Reinheitsgebotes alte oder ausländische Bierstile aufgreifen und diese neu interpretieren.

Geschichte
 Die Craftbeer-Bewegung entstand in den 1970er Jahren in den Vereinigten Staaten als Reaktion auf den dort vorherrschenden, von der Brauindustrie geprägten Biermarkt, was häufig zu als wässrig und geschmacklos geschmähten Standardbieren führte. Von Hobbybrauern wurde deshalb der Begriff „craft brewing“, also handwerklich brauen geprägt. Die Zahl der Brauereien in den USA stieg darauf massiv an – auf heute mehr als 4000.